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September 2006: Patricia Highsmith – Der talentierte Mr Ripley

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Dieses Buch las ich in der Ausgabe der SZ-Bibliothek, deren Feuilletonredaktion 100 Romane des 20. Jahrhunderts auswählte, als Mitte der Nuller-Jahre solche Listen und „Kanons“ populär waren (die Brigitte tat etwas ähnliches unter Federführung von Elke Heidenreich). Auf dem Cover von „Der talentierte Mr Ripley“ befand sich ein Szenenfoto aus der Verfilmung von 1999 mit Matt Damon, Gwyneth Paltrow und Jude Law, und möglicherweise lieh ich mir das Buch nur aus, um mir immer wieder dieses Foto anzusehen, weil ich bereits damals eine große Schwäche für Jude Law hegte, zumindest für den Jude der damaligen Zeit, seiner großen Schönlingsphase (als er noch mehr Haare hatte).

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Quelle: vigilie.de

Der Roman entpuppte sich dann als unerwartet spannend, ich kann mich noch gut erinnern, wie ich in Freistunden im Schulpark saß und fieberhaft las, immer gespannt, ob Tom Ripley wirklich mit seinem Verbrechen durchkommen würde …

Er ist ein Niemand, Vollwaise, ohne Arbeit, ohne Geld und hält sich mit Aushilfejobs und kleinen Gaunereien über Wasser. Doch durch einen glücklichen Zufall hat er vor einiger Zeit die allerdings nur flüchtige Bekanntschaft des jungen Dandys Dickie Greenleaf gemacht, der das genaue Gegenteil von ihm ist und jetzt das süße Leben in Süditalien genießt. Aus diesem Grund wendet sich Dickies Vater an Tom, den er für einen engen Freund seines Sohnes hält: Er solle zu ihm reisen und ihm ins Gewissen reden, damit er endlich zurück in die Staaten kehrt und einer geordneten Tätigkeit im Familienunternehmen nachgeht, statt wie ein Bohemien seine Zeit mit Malerei und Segeln zu vergeuden. Für Tom, dem angesichts seiner Betrügereien die Luft in New York langsam zu dünn wird, ist das eine mehr als willkommene Chance, erst mal von dort zu verschwinden. Finanziell von Mr Greenleaf reichlich ausgestattet, reist er also nach Italien zu Dickie und dessen Freundin Marge. Erst dort freunden sich die zwei allmählich an, nachdem Tom vergeblich versucht hat, Dickie zu einer Rückkehr zu bewegen. Tatsächlich verstehen sie sich sogar so gut, dass Marge zu argwöhnen beginnt, das Ganze könnte mehr als nur Freundschaft sein und es ist auch wirklich eine latente, unausgesprochene Erotik zwischen ihnen spürbar.

Doch als sich Dickie allmählich von ihm abwendet und gleichzeitig Post von Vater Greenleaf eintrifft, der Tom zurück nach Amerika beordert, reift in ihm ein Plan heran – Eifersucht mengt sich mit dem Wunsch, das Leben, von dem er gekostet hat, nicht so ohne weiteres aufzugeben.

Er würde es als allerletztes tun, dachte Tom. Er starrte auf Dickies geschlossene Augenlider. Ein wahnwitzige Mischung aus Hass, Zuneigung, Auflehnung und Frustration wallte in ihm auf, so dass er schwer atmete. Er hätte Dickie am liebsten umgebracht. Das dachte er nicht zum ersten Mal. Schon ein paar Mal hatten Wut oder Enttäuschung diesen Wunsch ausgelöst, der sofort erloschen war und ihn mit Scham erfüllt hatte. Jetzt dachte er eine ganze Minute lang daran, zwei Minuten, weil er Dickie sowieso verließ und es keinen Grund mehr gab, sich zu schämen.

Während einer Bootsfahrt setzt er es schließlich in die Tat um: Dickie wird beseitigt, ebenso das Boot, und Tom schlüpft in die Rolle des Toten. Das geht natürlich nur so lange gut wie ihm keine Bekannten von Dickie über den Weg laufen – immer schwebt er am Rand der Enttarnung, was seine Nerven empfindlich angreift. Doch gleichzeitig ist er bereit, noch über weitere Leichen zu gehen, um sein Verbrechen zu vertuschen …

An dieser Stelle darf verraten werden, dass er aus der ganzen Geschichte überraschend unbeschadet hervorgeht, was nicht wirklich ein Spoiler ist, denn da Patricia Highsmith im Laufe der Zeit noch vier weitere Krimis über Ripley schrieb, dürfte wohl klar sein, dass sie in dieser Figur genügend Potenzial sah, um ihn nicht gleich am Ende des ersten Buchs lebenslänglich ins Kittchen zu stecken.

Er konnte sagen, er habe es nicht tun wollen, aber er hatte es getan. Er wollte kein Mörder sein. Manchmal konnte er ganz und gar vergessen, dass er gemordet hatte, fiel ihm ein. Doch bisweilen – so wie jetzt – konnte er es nicht. Gewiss hatte er es heute Abend zeitweise vergessen gehabt, als er über Europa und über den Sinn von Besitz nachgedacht hatte und darüber, warum er gerne in Europa lebte.

Dieser Ripley ist in der Tat ein sehr faszinierender Charakter: narzisstisch und egozentrisch, denkt er stets nur daran, seine eigene Position zu verbessern, ohne sich dafür wirklich anstrengen zu wollen. Er ist ein charmanter Hochstapler, der jedoch schnell gefährlich werden kann, wenn er sich in die Enge getrieben fühlt. Moralische Bedenken oder Schuldgefühle kennt er nicht, auch wenn seine Psyche mit einer gewissen Paranoia reagiert, als ihm der italienische Boden nach der Tat immer heißer wird. Trotzdem steht man als Leser unwillkürlich auf seiner Seite, bangt darum, ob er durchkommen wird – ein raffiniertes Spiel der Autorin, was sicher dazu beigetragen hat, dass das Buch zu einem Klassiker des Genres geworden ist.

Die oben erwähnte Kinoversion war übrigens nicht die erste Verfilmung: diese erschien 1960 unter dem Titel „Plein Soleil“ (dt. „Nur die Sonne war Zeuge“) und war der internationale Durchbruch für Alain Delon. Wer ihn ansieht, versteht leicht, warum – während in der Hollywood-Produktion der schönste Schauspieler leider nach der Hälfte des Films umgebracht wird, darf man Delon 2 Stunden lang in der Rolle des Mörders bewundern,  was die Faszination für die Figur noch verstärkt. Regisseur Réne Clement wollte ihn zunächst als Dickie besetzen, doch seine Frau überredete ihn, ihm die Hauptrolle anzubieten. Highsmith selbst war vom Ergebnis angetan, kritisierte jedoch das abgewandelte Ende, bei dem der Gerechtigkeit genüge getan wird, ein Tribut an die damalige Moral (der Regisseur fügte außerdem eine Affäre zwischen Tom und Marge ein, die es im Buch nicht gibt). Vielleicht war die Welt auch noch nicht reif dafür, die „Talente“ des Mr Ripley gebührend zu würdigen.

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Quelle: indiewire.com

Maurice Ronnet, Marie Laforêt und Alain Delon in „Plein Soleil“



März 2005: Michael Ondaatje – Der englische Patient

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Als ich 2005 das Buch las, hatte ich den Film noch nicht gesehen, der den Roman noch mal um etliches bekannter machte, woran die neun Oscars (von zwölf Nominierungen), unter anderem als Bester Film, sicher auch nicht ganz unschuldig waren. Wie das so ist mit Bildern: Sie bleiben oft besser im Gedächtnis als Worte, deshalb kann ich mich an die eigentliche Lektüre des Romans auch gar nicht mehr so gut erinnern, aber ich fand die Struktur und Erzählweise etwas verwirrend. Die ganze Wucht und Tragik der Geschichte ging mir jedenfalls erst beim Sehen auf, als die Handlung vom Regisseur – bei dem es sich übrigens um Anthony Minghella handelt, der sich danach auch an „Der talentierte Mr Ripley“ versuchte – quasi geglättet und in eine verständlichere chronologische Reihenfolge gebracht wurde.

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Quelle: picclick.de

Der titelgebende „englische“ Patienten ist interessanterweise gar kein Brite, sondern Ungar: Ladislav Graf von Almásy, der sich allerdings zunächst nicht an seine Identität erinnert. Bettlägerig und nach einem Flugzeugabsturz mit einer bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Haut, wird er in einer Villa in der Nähe von Florenz von der jungen kanadischen Krankenschwester Hana gepflegt.

Der Mann liegt auf dem Bett, sein Körper dem Luftzug ausgesetzt, und er wendet den Kopf langsam zu ihr, als sie hereinkommt. Alle vier Tage wäscht sie seinen schwarzen Körper, angefangen bei den kaputten Füßen. Sie macht einen Waschlappen nass, presst ihn über seinen Knöcheln zusammen und lässt das Wasser auf ihn tropfen, blickt auf, als er etwas murmelt, und sieht sein Lächeln. Am Schienbein sind die Verbrennungen am schlimmsten. Tiefviolett. Knochen.

Sie liest ihm aus einem Exemplar von Herodots „Historien“ vor, das er bei seinem Fallschirmsprung aus der brennenden Maschine bei sich trug, und allmählich kehren seine Erinnerungen zurück. Was er davon erzählt, hinterlässt tiefe Eindrücke bei seinen Zuhörern: Hana, dem britischen Spion Caravaggio (dessen Hände von den Deutschen verstümmelt wurden und der eigentlich die Identität des Patienten aufdecken will, den er von Anfang an für Almásy hält) und der schöne, stolze Kip, ein indischer Sikh, der im Auftrag der Briten Bomben entschärft und sich zu diesem Zweck in der Villa aufhält. Gerade Hana, die sich aufgrund ihrer vielen Begegnungen mit dem Tod – bei ihrer Arbeit, aber auch privat – eine Art emotionalen Panzer zugelegt hat und der Liebe abschwört, beginnt, sich intensiv und liebevoll um ihren Schützling zu kümmern, verabreicht ihm Morphium und füttert ihn mit gehamstertem Essen. Außerdem beginnt sie eine kurze, aber intensive Affäre mit Kip, sodass die Wochen in der Villa zu einer echten Katharsis für sie werden.

Die Geschichte, die Almásy allmählich erinnert und erzählt, ist die einer leidenschaftlichen Liebe, die tragisch ausging. Als Teil einer Forschungsgruppe, die in der ägyptischen Wüste tätig ist, und die er für den britischen Geheimdienst ausspionieren soll, trifft er 1936 auf das frisch verheiratete Paar Clifton. Bald verliebt sich Lászlo in die 15 Jahre jüngere Katherine, zunächst in ihre Stimme, als sie am abendlichen Lagerfeuer aus Herodot vorliest. Seine Gefühle werden erwidert und nach anfänglicher Zurückhaltung werden sie ein heimliches Liebespaar.

He sweeps his arm across plates and glasses on a restaurant table so she might look up somewhere else in the city hearing this cause of noise. When he is without her. He, who has never felt alone in the miles of longitude between desert towns. A man in a desert can hold absence in his cupped hands knowing it is something that feeds him more than water. There is a plant he knows of near El Taj, whose heart, if one cuts it out, is replaced with a fluid containing herbal goodness. Every morning one can drink the liquid the amount of a missing heart. The plant continues to flourish for a year before it dies from some lack or other.

He lies in his room surrounded by the pale maps. He is without Katharine. His hunger wishes to burn down all social rules, all courtesy.

Her life with others no longer interests him. He wants only her stalking beauty, her theatre of expressions. He wants the minute and secret reflection between them, the depth of field minimal, their foreignness intimate like two pages of a closed book.

Die Affäre dauert bis 1938, als Katherine, von Schuldgefühlen zermürbt, einen Schlussstrich zieht. Doch ihr Mann Geoffrey weiß längst Bescheid und als er Almásy (der mittlerweile die Fronten gewechselt hat und undercover für die Deutschen arbeitet) im Spätsommer 1939 mit dem Flugzeug aus dem Basislager der Forscher abholen soll, fasst er den mörderischen Plan, sie alle drei mit einem Schlag zu töten – den Rivalen mit der Maschine, sich selbst und Katherine durch den anschließenden Absturz. Es misslingt und nur Geoffrey kommt ums Leben, doch Katherine ist schwer verletzt und sie befinden sich meilenweit von jeder Zivilisation. Ihr Geliebter bringt sie in eine Höhle, die er einige Jahre zuvor entdeckt hat und deren Wände von antiken Malereien bedeckt sind, die ihm zum Namen „Höhle der Schwimmer“ inspirieren. Dann läuft er tagelang durch die Wüste, um Hilfe zu holen. Aber er wird als Spion verhaftet und eingesperrt, was Katherines Todesurteil bedeutet … Dennoch versucht er auch Jahre später noch, sein Versprechen zu erfüllen, und dieser Versuch lässt ihn schließlich zu dem verbrannten Patienten in Hanas Pflege werden.

An dem Buch scheiden sich ein wenig die Geister: Die sinnliche, ausgefeilte Sprache brachte Ondaatje 1992 den Booker Prize ein und wenn sich die Szenen auch bisweilen leicht in Filmbilder übersetzen lassen (wozu sich die Schauplätze in der Wüste, dem sonnendurchglühten Kairo oder in der halb verfallenen italienischen Villa hervorragend eignen), so ersetzen sie nicht die Lektüre, in der man so viel mehr über die Charaktere durch alles unscharf Erinnerte, Geträumte, Angedeutete erfährt. Die nicht-chronologische Handlung und die Handlungsarmut gerade bei den Kapiteln, die in der Villa spielen, sorgen jedoch bei einigen Lesern auch für Unmut:

Der Rest des Buches ist eine Ansammlung von mühsamen Beschreibungen und öden Charakteren, die nichts mit sich anzufangen wissen. Und weils allen so geht, passen sie ganz wunderbar zusammen und öden sich gegenseitig an.

Die Geschmäcker sind eben unterschiedlich und wer keine Geduld hat, sich auf die Poesie des Romans und die sich erst langsam entfaltende Geschichte einzulassen, sollte zu etwas anderem greifen. Ich war vielleicht zu jung dafür, weshalb er keinen bleibenden Eindruck hinterließ bzw. dieser durch Erinnerungen an den (von mir als sehr gut empfundenen) Film überdeckt wurde. Ein klarer Fall für die „Read again“-Liste also.


Charles Dickens – David Copperfield

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If you really want to hear about it, the first thing you’ll probably want to know is where I was born, an what my lousy childhood was like, and how my parents were occupied and all before they had me, and all that David Copperfield kind of crap, but I don’t feel like going into it, if you want to know the truth.

Soweit Holden Caulfield am Anfang des Berichts über seine drei Tage in New York, nachzulesen in „Der Fänger im Roggen“. Seine Erzählweise hat tatsächlich wenig mit der von Dickens gemein, der nie mit Details zu seinen Protagonisten sparte und seine Geschichten oft bei den frühesten Kindheitstagen seiner Helden beginnt, die zudem auffallend oft Waisen sind. So u. a. in „Bleak House“, „Great Expectations“ und insbesondere in „David Copperfield“, seinem teils autobiografischen Roman von 1850. Verfasst als klassischer „Bildungsroman“ (ein Wort, dass die Briten von uns übernommen haben), erleben wir hier die Lebensgeschichte eines Jungen, der schwierige Zeiten durchmachen muss und mit fiesen Charakteren konfrontiert wird, bevor er am Ende berufliches und privates Glück findet.

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Quelle: smith.edu

Titelblatt der Originalausgabe

Unser Held wird bereits als Halbwaise geboren, da sein Vater ein halbes Jahr zuvor verstarb. Seine noch recht junge und kindliche Mutter sowie die Haushälterin Peggotty verhätscheln den Kleinen und er verbringt unbeschwerte Jahre, bis sich seine Mutter erneut verheiratet. Dieser Mr Murdstone ist ein hartherziger Mann, der ein hartes Regiment einführt und jeden in seinem Haushalt so klein wie möglich halten will. David kommt vorübergehend zur Familie der Haushälterin, eine Fischerfamilie an der Küste von Norfolk (Great Yarmouth, ein malerischer Ort und mein erstes Ziel für einen Tagesausflug zur Nordsee). Die „kleine Em’ly“, eine Adoptivtochter von Mr Peggotty ist dort der allgemeine Liebling und gewinnt auch Davids Herz schnell. Nach der Rückkehr zu seiner Familie muss er miterleben, wie die Mutter unter der Tyrannei ihres Mannes und dessen Schwester immer elender wird. Als sich David gegen Schläge zur Wehr setzt, wird er zur Strafe aufs Internat geschickt, dessen Direktor es ebenfalls versteht, Disziplin und Ordnung durchzusetzen. Wenig später sterben Davids Mutter und sein kleiner, erst wenige Monate alter Bruder und als wäre dies nicht Kummer genug, erreicht sein Leben einen neuen Tiefpunkt, als er in London bei einem Weinhändler Flaschen putzen muss – sein Stiefvater ist Teilhaber des Geschäfts. So wird er im Alter von nur 10 Jahren eines der unzähligen schlecht bezahlten, halb verhungerten Kinder, die gezwungen waren, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.

Ich weiß, ich übertreibe nicht, auch nicht unabsichtlich, die Dürftigkeit meiner Mittel oder die Bedrängnisse meines Lebens. Ich weiß, dass, wenn Mr. Quinion mir einmal einen Schilling schenkte, ich ihn immer nur für Tee oder ein Mittagessen ausgab. Ich weiß, dass ich als ärmliches Kind mit gewöhnlichen Männern und Knaben von früh bis spät mich abarbeitete. Schlecht und ungenügend genährt, schlenderte ich in meinen freien Stunden durch die Straßen. Wie leicht hätte aus mir ein kleiner Dieb oder Vagabund werden können.

Während dieser Zeit wohnt David bei den Micawbers, eine sehr liebenswürdige Familie, die sich leider permanent in finanziellen Schwierigkeiten befindet, die Mr Micawber sogar ins Schuldengefängnis bringen.

Schließlich reicht es dem Jungen und er fasst den Plan, abzuhauen – zu seiner Tante Betsey Trotwood, die er bis dahin noch nie getroffen hat und die bei seiner Geburt große Enttäuschung zeigte, dass er kein Mädchen geworden war, das man nach ihr hätte taufen können. Allein und zu Fuß macht er sich auf den Weg nach Dover und die gefürchtete Dame erweist sich als schrullig, aber gütig. Sie nimmt sich seiner an, verschafft ihm einen Platz auf einer guten Schule und nennt ihn liebevoll „Trot“.

Nachdem in der ersten Hälfte des Romans Davids Stiefvater der große Widersacher ist, übernimmt im zweiten Teil der Anwaltssekretär Uriah Heep diese Rolle. Er ist das Paradebeispiel für einen, der „nach oben buckelt und nach unten tritt“, ein unheimlicher, tückischer und intriganter Kerl, der sich seinem Chef Mr Wickfield (bei dem David während der Schulzeit wohnt) unterwürfig gibt, doch tatsächlich hinter dessen Tochter Agnes her ist und ihren Vater zu betrügen und erpressen versucht. Von allen Charakteren, die Dickens über die Jahre erschaffen hat, ist dieser Uriah Heep mit Sicherheit einer der unangenehmsten. Mithilfe seines alten Freunds Mr Micawber gelingt es David jedoch, Uriah zu überführen und Gerechtigkeit walten zu lassen.

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Quelle: gettyimages.com

David zu Gast bei Uriah Heep und dessen Mutter

Weitere Stationen der Geschichte ist seine erste ernsthafte Liebe Dora, mit der er die Ehe eingeht, (die jedoch keine sonderlich glückliche wird und mit Doras frühem Tod endet), das Drama um die „kleine Em’ly“, die von einem Schulfreund Davids verführt wird, sowie seine beginnende Karriere als Schriftsteller. Als er zum Schluss noch begreift, wer sein eigentlicher „guter Engel“ ist, mit dem er den Rest seines Lebens verbringen möchte, ist dem Wunsch des Lesers nach einem Happy End hinreichend Genüge getan.

Charles Dickens zeigt sich hier auf dem Gipfel seines Könnens: Der Plot ist vielschichtig und voller schicksalshafter Wendungen, ohne sich in allzu vielen Nebenhandlungen zu verlieren (was ihm beispielsweise bei „Bleak House“, einem weiteren als Serie geschriebenen Roman, mitunter passiert), er erfindet einige seiner unvergesslichsten Figuren, wie den oben genannten Uriah Heep (nach dem sich eine 70er-Rockgruppe benannte), Mr Micawber oder Betsey Trotwood, und den Episoden um Davids miserable Zeit als Flaschenprüfer übt er Kritik an der damals noch weit verbreiteten Kinderarbeit. Dabei konnte der Autor aus eigener leidvoller Erfahrung schöpfen, da er bereits mit 12 Jahren seine Familie finanziell als Fabrikarbeiter unterstützen musste. So verwundert es nicht, dass ihm dieser Abschnitt besonders eindrucksvoll gelingt. Auch die Darstellung der Leiden des jungen D. angesichts seines grausamen Stiefvaters, im Internat und nach dem Tod der geliebten Mutter gehen ans Herz, wohl selten zuvor hatte ein Autor sich auf diese Weise in ein Kind versetzt und den Lesern die Welt durch dessen Augen gezeigt.

Daneben gibt es aber auch genügend Ironie und komische Szenen, als eine davon ist mir das Aufeinandertreffen von David mit den unverheirateten Tanten seiner zukünftigen Braut Dora im Gedächtnis geblieben. Bei den Damen handelt es sich um die klassischen viktorianischen „spinsters“, die nie in den Genuss einer Romanze gekommen sind und sich desto inniger die Erinnerung an jede vermeintliche Andeutung von Liebe bewahren.

Ich entdeckte später, daß Miß Lavinia als Autorität in Herzensangelegenheiten galt, weil früher einmal ein gewisser Mr. Pidger im Hause einen kurzen Whist gespielt und sich angeblich dabei in sie verliebt haben sollte. Meiner Meinung nach war dies eine willkürliche Annahme gewesen, denn Mr. Pidger hatte niemals ein Wort darüber verlauten lassen. Aber Miß Lavinia und Miß Clarissa lebten in dem Glauben, er sei nur deshalb von einer Liebeserklärung abgehalten worden, weil er durch den Tod in der Blüte seiner Jahre, nämlich im sechzigsten, infolge übermäßigen Trinkens und darauffolgenden massenhaften Genusses der Heilquellen von Bath, der Welt entrissen wurde. Sie hegten den Verdacht, er sei an unterdrückter Liebe gestorben.

Der Roman war ein wenig meine Einstiegsdroge in die Dickensche Welt, ich hatte zuvor zwar bereits die Weihnachtsgeschichte und „Oliver Twist“ gelesen (möglicherweise auch „The Old Curiosity Shop“), doch erst mit „David Copperfield“ packte es mich richtig und wenn mir heute noch drei seiner Werke fehlen – bzw. vier, wenn man das unvollendete „Edwin Drood“ dazuzählt, das ich aber wahrscheinlich nie lesen werde (ungelöste Rätsel sind nicht gerade befriedigend) – dann liegt es auch daran, dass sich „David Copperfield“ als eines der spannendsten und vergnüglichsten Bücher, die ich während meiner Uni-Zeit auf der täglichen einstündigen Busfahrt zwischen Wohn- und Studienort las, erwies. In der Bibliothek gab es ihn als zweibändige Ausgabe, was immer ein bisschen wie ein Film-Mehrteiler ist, wenn nach dem ersten Teil die Spannung auf den zweiten steigt. Man will wissen, wie es weitergeht, muss sich aber noch gedulden, gleichzeitig hält der Genuss länger an. In meinen Augen ist es alles andere als „crap“, sondern einer der wunderbarsten Klassiker der viktorianischen Epoche und nicht zuletzt auch das persönliche „Lieblingskind“ seines Schöpfern.

NB: Warum sich der dunkelhaarige Zauberkünstler bei der Namenswahl ebenfalls bei Dickens bediente, bleibt sein Geheimnis, angeblich gefiel ihm der Klang.


Dezember 2013: Stephen King – 11.22.63

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Seit einigen Jahren hat sich Stephen King vermehrt dem Thriller-Genre zugewendet, was ich etwas bedauerlich finde, weil mich immer der übernatürliche Horror am meisten fasziniert hat, vielleicht weil er weniger „real“ und daher unbedrohlicher wirkt. Allerdings hat der Autor zeit seines Lebens stets auch Themen wie häusliche Gewalt, Alkoholismus, Mobbing, psychische Erkrankungen usw. thematisiert, also den ganz alltäglichen Horror, wie er überall gegenwärtig und darum umso beängstigender ist.

In etlichen seiner Romane wagt King interessante Gedankenexperimente, z. B. in „Die Arena“ (Was wäre, wenn eine Stadt unter einer Glasglocke hermetisch von der Welt abgeriegelt würde?) oder in „The Stand“ (Was wäre, wenn die gesamte Menschheit bis auf wenige von einem Killervirus ausgelöscht würde?), und in „11.22.63“ beschäftigt er sich damit, wie sich der Lauf der Geschichte verändert hätte, wenn man ein entscheidendes Ereignis ungeschehen machen könnte: Das Attentat auf John F. Kennedy am 22. November 1963 – von diesem Datum rührt der Titel, im Deutschen heißt das Buch kurz und bündig „Der Anschlag“.

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Quelle: booktopia.com

Hauptfigur und Erzähler der Handlung ist der kürzlich geschiedene Lehrer Jake Epping aus einer Kleinstadt in Maine (wo sonst!), der von seinem Bekannten Al, Inhaber eines Diners, eine scheinbare unglaublicheGeschichte präsentiert bekommt: Im Keller der Imbissstube gibt es ein Portal, über das man in die Vergangenheit gelangt, genauer gesagt in den September 1958. Al hat sich dieser Möglichkeit des Öfteren bedient, um z. B. zu den damals niedrigen Preisen Lebensmittel für seinen Imbiss einzukaufen; sogar ganze Jahre hat er dort verbracht, sodass er nun plötzlich stark gealtert und krank ist – denn egal, wie lang man weg war, in der Gegenwart des Jahres 2011 sind bei der Rückkehr stets nur 2 Minuten vergangen. Und nicht nur das: Die Rückkehr durch das Portal wirkt auch wie eine Reset-Taste, sodass alles, was man in der Vergangenheit getan hat, dort wieder ungeschehen werden lässt. Der ungläubige Jake probiert es aus und ist überwältigt von der „guten alten Zeit“, als die Menschen noch freundlich, Konsumwaren billig und Geschmäcke, Gerüche intensiver waren.

He opened an ice cream freezer and removed a frosty mug roughly the size of a lemonade pitcher. He filled it from a tap and I could smell the root beer, rich and strong. He scraped the foam off the top with the handle of a wooden spoon, then filled it all the way to the top and set it down on the counter. “There you go. That and the paper’s eighteen cents. Plus a penny for the governor.” I handed over one of Al’s vintage dollars, and Frank 1.0 made change. I sipped through the foam on top, and was amazed. It was… full. Tasty all the way through. I don’t know how to express it any better than that. This fifty-years-gone world smelled worse than I ever would have expected, but it tasted a whole hell of a lot better.

Allerdings hat der totkranke Al etwas ganz besonders im Sinn, als er Jake das Geheimnis der Zeitreise verrät: Er will, dass dieser seinen Plan ausführt und den Anschlag auf Kennedy verhindert, indem er den Attentäter Lee Harvey Oswald zuvor unschädlich macht.

Zunächst beschließt Jake, die Probe aufs Exempel zu machen, um zu sehen, inwiefern man Vergangenes wirklich ändern kann. Sein „Versuchsobjekt“ ist Harry Dunning, ein Hausmeister mit Lernschwäche, der vor einiger Zeit in Jakes Abendkurs für Erwachsene saß und in einem Aufsatz einen Abend beschrieb, der sein Leben von Grund auf änderte: Der Halloween-Abend 1958, als sein alkoholkranker Vater Harrys Mutter und Geschwister mit einem Hammer erschlug, Harry selbst trug eine Gehirnverletzung davon. Was gäbe es also Besseres, als diese schreckliche Tat ungeschehen zu machen? Jake reist in die Vergangenheit und nach Derry (wohin sonst!), wo er unter anderem die allen King-Fans bestens bekannten Jugendlichen Richie Tozier und Beverly Marsh trifft. Gleichzeitig spürt er, dass in dieser Stadt einiges im Argen liegt, auch wenn der eigentlichen Ursache des Grauens dort eigentlich der Garaus gemacht wurde (glauben zumindest Richie und Bev). Es gibt einige unvorhergesehene Probleme, denn wie Jake, und vor ihm bereits Al, am eigenen Leib erfahren muss, wehrt sich die Zeit dagegen, rückwirkend geändert zu werden. Doch am Ende gelingt der Plan – allerdings hat sich Harrys Leben durch diese scheinbar so heroische Tat nicht wirklich gebessert, wie Jake nach seiner Rückkehr in die Gegenwart bei einem Gespräch mit dessen (nun überlebender) Schwester feststellt. Doch immerhin konnte er sich überzeugen, dass es funktioniert. Gedrängt durch Als Selbstmord, in dessen Folge das Diner bald nicht mehr zugänglich sein wird, begibt sich Jake also auf die Mission zur Umkehrung der Historie.

Als vorgeblicher George Amberson richtet sich Jake in einer Stadt außerhalb von Dallas ein, um mit einem Job als Aushilfslehrer die Zeit bis zur Ankunft von Oswald abzuwarten, den er dann zu observieren beginnt. Und hier schlägt das Schicksal zu: Jake, der bisher bemüht war, wenig Kontakte zu anderen zu pflegen (aus Angst, sich zu verraten und weil er sich ganz auf seine Aufgabe konzentrieren will), verliebt sich in eine junge Bibliothekarin namens Sadie. Sie hat ihr ganz eigenes Päckchen zu tragen, denn sie hat sich kürzlich von ihrem Ehemann getrennt, der nicht unbedingt ein Glücksgriff war, um es milde auszudrücken… Umso mehr genießt sie die Beziehung mit Jake, obwohl sie allmählich die Wahrheit über seine Identität zu ahnen beginnt. Und er ahnt, dass ihrer Liebe kein Happy End beschieden sein kann, ja das er Sadie durch seine Pläne sogar in Gefahr bringt, denn die Vergangenheit hat Zähne und wird zubeißen, wenn sie jemand zu manipulieren versucht.

Dies ist auf jeden Fall ein waschechter King, ein Pageturner, wie nur er sie schreiben kann. Ich las das Buch über Weihnachten, in den Nächten, als ich nicht auf die Uhr schauen musste und mir einbildete, draußen Vögel singen zu hören (vielleicht war es nur die Heizung, andererseits warum nicht, bei den milden englischen Wintern). Es ist unglaublich detailreich, z. B. wird als wiederkehrendes Motiv zu „In The Mood“ getanzt, was niemand besser kann als Jake und Sadie. Er bringt es auch Richie und Bev bei; das Wiedersehen mit ihnen ist wirklich ein zauberhafter, rührender Moment für alle, die „It“ so sehr lieben wie ich.

Oh, to hell with that. They were beautiful. For the first time since I’d topped that rise on Route 7 and saw Derry hulking on the west bank of the Kenduskeag, I was happy. That was a good feeling to go on, so I walked away from them, giving myself the old advice as I went: don’t look back, never look back. How often do people tell themselves that after an experience that is exceptionally good (or exceptionally bad)? Often, I suppose. And the advice usually goes unheeded. Humans were built to look back; that’s why we have that swivel joint in our necks. I went half a block, then turned around, thinking they would be staring at me. But they weren’t. They were still dancing. And that was good.

Es sind diese kleinen Szenen, die das Buch so lesenswert machen und die im Gedächtnis bleiben. Die Spannung natürlich auch, ob es nun darum geht, den Mann mit dem Hammer in Derry oder den Mann mit dem Gewehr in Dallas aufzuhalten. Man merkt außerdem, wie viel Spaß King bei seinem Nostalgietrip in die späten 50er/frühen 60er hatte, seine Teenagerzeit. Damit der Leser jedoch nicht in die Versuchung gerät, diese Jahre mit einem allzu verklären Blick zu betrachten, hat er einen wunderbaren Absatz geschrieben, um auf ihre dunkle Seite aufmerksam zu machen:

In North Carolina, I stopped to gas up at a Humble Oil station, then walked around the corner to use the toilet. There were two doors and three signs. MEN was neatly stenciled over one door, LADIES over the other. The third sign was an arrow on a stick. It pointed toward the brush-covered slope behind the station. It said COLORED. Curious, I walked down the path, being careful to sidle at a couple of points where the oily, green-shading-to-maroon leaves of poison ivy were unmistakable… There was no facility. What I found at the end of the path was a narrow stream with a board laid across it on a couple of crumbling concrete posts… If I ever give you the idea that 1958’s all Andy-n-Opie, remember the path, okay? The one lined with poison ivy. And the board over the stream.

Der Autor betrieb einen für ihn ungewöhnlichen Rechercheaufwand, um die damalige Zeit so wahrheitsgetreu wie möglich darzustellen und natürlich musste er sich auch in die Biografie von Lee Harvey Oswald und die genauen Umstände seines Anschlags vertiefen (einschließlich der vielen Verschwörungstheorien, die sich darum ranken). Außerdem musste er eine Antwort darauf finden, wie unsere Welt heute aussehen würde, hätte Kennedy tatsächlich überlebt. Die Theorie von Al und Jake lautet, dass es mit Kennedy niemals die Rassenunruhen der 60er gegeben hätte (und somit möglicherweise nicht den Mord an Martin Luther King) und dass der Vietnamkrieg nicht so eskaliert wäre wie unter Johnson und Nixon, was das Überleben von Millionen Opfern, Soldaten und Zivilisten, bedeuten würde. Somit wäre das Verhindern des Anschlags eine gute Tat für die Menschheit – oder etwa nicht? Auf jeden Fall ginge man laut Al kein Risiko ein: „If things turn to shit, you just take it all back. Easy as erasing a dirty word off a chalkboard.“ Dass es am Ende nicht ganz so leicht ist und was er mit seinen ständigen Zeitreisen und -manipulationen eigentlich anrichtet, wird Jake erst allmählich klar, auch durch den „Yellow Card Man“ bzw. dessen Nachfolger, die über die Portale und neu geschaffenen bzw. gelöschten „Zeitstrahlen“ wachen. Die veränderte Gegenwart, in die Jake schließlich zurückkehrt, ist jedenfalls ein furchtbarer Albtraum.

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Quelle: kingwiki.de

Jake und Sadie in der Verfilmung

Wenn es also eine Lehre für den Leser gibt, dann vielleicht, dass man erstens nicht allzu nostalgisch auf die Vergangenheit schauen sollte – damals gab es auch Probleme, sie waren nur anders geartet und vielleicht weniger komplex – und dass es zweitens Unsinn ist, Geschehenes rückgängig machen zu wollen. Denn wer weiß schon, ob es bei einem anderen Verlauf insgesamt betrachtet wirklich besser geworden wäre? Wir müssen es akzeptieren und das Beste daraus machen, bestenfalls daraus lernen, damit es sich nicht wiederholt. Aber auch ganz ohne diese philosphischen Betrachtungen darf man sagen, dass „22.11.63“ King at his finest zeigt, das aus all seinen neueren Werken hervorsticht (Mitunter bedauere ich, aufgrund seiner hohen Output-Geschwindigkeit nicht mithalten zu können, doch dann behaupten auch manche, dass die Qualität darunter leide, sodass es vielleicht gar nicht so schlimm ist, den „neuesten King“ nicht gelesen zu haben. Außerdem interessierte mich wie oben erwähnt die Thematik der letzte Bücher nicht so). Mittlerweile gibt es auch eine Serie zum Buch, mit dem Autor und J. J. Abrams als Produzenten und James Franco in der Hauptrolle.


Simon Garfield: To the Letter / Shaun Usher: Letters of Note

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Es gibt etliche Dinge, von denen zu befürchten ist, dass sie unsere Kinder kaum mehr kennen werden, und dazu gehören leider auch handgeschriebene Briefe. Nun gut, wenn man Glück hat, finden sich im Freundes- und Familienkreis noch ein paar Nostalgiker, die hin und wieder zumindest eine Urlaubs- oder Geburtstagkarte schicken, aber wer setzt sich heute noch hin und schreibt einen richtigen Brief, seitenlange Berichte über den aktuellen Seelenzustand, die neuesten Ereignisse, Liebesfreud und -leid, wie es bis vor Kurzem noch weit verbreitet war?! Viele Schriftsteller der Vergangenheit beeindrucken mit einer umfangreichen Korrespondenz, so soll Goethe geschätzt 15.000 Briefe versendet und 21.000 erhalten haben, und bei dieser Zahl muss beachtet werden, dass viele nicht erhalten sind, es tatsächlich also noch mehr sein können. Kein Wunder, dass er die meisten davon an einen Sekretär diktierte statt selber zu schreiben. Zudem waren damals die Portokosten noch vom Empfänger zu tragen, was freilich in Goethes Fall ein Minusgeschäft war.

Auf jeden Fall ist es fraglich, ob es zukünftig noch die Sammlungen von Briefen berühmter Zeitgenossen geben wird, wie sie bislang üblich waren – im besten Fall können wir uns vielleicht über „gesammelte E-Mails“ freuen. Der E-Mail-Roman als Genre hat sich jedenfalls nicht wirklich etablieren können. Natürlich hat es gute und nachvollziehbare Gründe, warum das Briefeschreiben aus der Mode gekommen ist und es ist auch fraglich, ob Goethe ein so eifriger Korrespondent gewesen wäre, hätten ihm die technischen Möglichkeiten von heute zur Verfügung gestanden. Welch ein Kulturgut aber damit verloren geht, verdeutlichen zwei Bücher, die ich vergangenes Jahr las (im Grunde könnte man auch Albrecht Schönes „Der Briefschreiber Goethe“ dazu zählen, doch soll es zu diesem Werk einen separaten Post geben): „Letters of Note“ von Shaun Usher, der 125 bemerkenswerte, anrührende, interessante, lustige Briefe aus verschiedenen Ländern und Epochen zusammengestellt hat, und „To the Letter“ von Simon Garfield, der sich mit der Geschichte des Schriftverkehrs beschäftigt.

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Quelle: lettersofnote.com

Das Buch „Letters of Note“ beruht auf die gleichnamige Website, die 2009 als Blog begann und ein faszinierendes Online-Archiv von schriftlichen Mitteilungen berühmter Persönlichkeiten bietet. Man erfährt zunächst etwas über die Umstände des Schreibens, dann ist das Original abgebildet und schließlich ein Transkript, das im Falle von maschinengeschriebenen Seiten vielleicht nicht nötig wäre, bei handschriftlich verfassten Texten aber auf jeden Fall. Allerdings ist das Transkript bei nicht-englischen Schreiben gleichzeitig die Übersetzung, was ich z. B. bei Beethoven schade fand, dessen Schrift ich nicht entziffern konnte, den ich aber gerne auf Deutsch gelesen hätte – da hilft dann nur die gute alte Wikipedia. Natürlich sollten Leser der deutschen Ausgabe (mit dem schönen Untertitel „Briefe, die die Welt bedeuten“) dieses Problem dann nicht haben oder nur in die andere Richtung, also bei englischen Briefen.

Da der Blog unheimlich viel Zuspruch erlebte, wählte Usher 2013 schließlich 125 Briefe, Telegramme, Faxe und Postkarten aus, um sie in Buchform zu veröffentlichen. Es ist ein schwerer, großformatiger Band (mittlerweile auch als Taschenbuch erhältlich), in dem man unwillkürlich blättert und sich verliert. Die Bandbreite reicht vom letzten Brief Maria Stuarts, den sie vor ihrer Hinrichtung schrieb, über den Rat eines kleinen Mädchens an Abraham Lincoln, er möge sich einen Bart stehen lassen, bis zu einem Rezept von Queen Elizabeth für „Drop Scones“, das sie an Präsident Eisenhower schickte, und einem witzigen Bewerbungsschreiben für eine Stelle als Videospielentwickler. Es finden sich Liebesbriefe, Fan-Briefe, Bekenntnisse und Ratschläge von Eltern an ihre Kinder, Beschreibungen vom Tod eines geliebten Menschen, die Bekanntgabe bahnbrechender Erfindungen, kurz gesagt alle Motive, die Leute dazu bewegt haben, zum Stift zu greifen oder in die Tasten zu hauen. Mittlerweile gibt es vom Herausgeber bereits einen zweites Buch mit noch mehr Briefen, außerdem „Lists of Note“ sowie die Website „Letterheady“ mit bemerkenswerten und originellen Briefköpfen.

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Quelle: amazon.de

Auch Simon Garfield hat sein Interesse für das Briefeschreibens entdeckt und nachdem er sich in seinen Büchern bereits mit Schriftarten („Just My Type“), Landkarten („On the Map“) oder der Farbe Malve beschäftigt hat, zeichnet er in „To The Letter“ die Geschichte der Korrespondenz nach, von den alten Griechen und Römern bis in die Gegenwart – er nennt dies sehr treffend „a journey through a vanishing world“. Dabei beleuchtet er neben berühmten Schreibern wie Seneca, Erasmus von Rotterdam oder Abelard und Heloise, auch die zahlreichen Schwierigkeiten bei der Postzustellung, die in der Vergangenheit zum einen bedeuteten, dass Briefe oft erst nach Wochen und Monaten ankamen – wenn überhaupt – und dass sich nur wohlhabende Leute die Kosten dafür leisten konnten, abgesehen davon, dass die Ärmeren ohnehin meist Analphabeten waren. Das änderte sich erst mit der Einführung von Briefmarken und Briefkästen im 19. Jahrhundert, beispielsweise der „Penny Post“ 1840 in Großbritannien. Der gute Goethe musste noch die Abfahrtszeiten der Postkutschen im Kopf behalten bzw. nachschlagen, wenn er wollte, dass ein Brief nicht allzu lange brauchte. Und die Überbringung in kleinere Dörfer geschah in der Regel durch Dienstboten, Kinder und anderen, die willig und in der Lage waren, den Weg von der Stadt aufs Land zu gehen. In den meisten Fällen war man auf zuverlässige Boten angewiesen in der Hoffnung, dass ein Brief den beabsichtigten Empfänger erreichen würde und nicht zuvor von neugierigen Dritten geöffnet wurde, wie das ja ebenfalls unter vielen Herrschern und in den unterschiedlichsten Zeiten gang und gebe war.

Neben der Geschichte des Postwesens untersucht der Autor außerdem die immer wieder beliebten Ratgeber für das „Schreiben guter Briefe“, stellt das nicht billige Hobby des Briefesammlers vor (bzw. des Auktionsgeschäft mit den Schriftstücken berühmter Persönlichkeiten, was uns indirekt wieder zu Usher bringt) und widmet sich den Anfängen betrügerischer Massenschreiben. Aber das Highlight des Buchs sind zweifellos die zwischen den Kapiteln eingestreuten Briefe zwischen einem britischen Soldaten, der während des 2. Weltkriegs in Nordafrika stationiert war, und einer Freundin in London. Zunächst sind sie nur Bekannte, doch allmählich beginnen sie, einander ihr Herz in dieser schwierigen Zeit zu öffnen und die Briefe werden zunehmend intimer und leidenschaftlicher, als sie sich durch die Korrespondenz ineinander verlieben und es schließlich kaum abwarten können, einander endlich wiederzusehen und ihre gemeinsame Zukunft zu beginnen. Eine ergreifende und wunderbare Geschichte, die die Macht des Briefeschreibens demonstriert und so viele Leser berührte, dass Garfield 2015 eine Ausgabe mit allen Briefen von Chris und Bessie – statt nur einer Auswahl wie in „To The Letter“ – herausgab.

Twenty hours have gone since I last wrote. I have been thinking of you. I shall think of you until I post this, and until you get it. Can you feel, as you read these words, that I am thinking of you now; aglow, alive, alert at the thought that you are in the same world, and by some strange chance loving me.

Ein schöner Nebeneffekt ist übrigens, dass man durch diese zwei Bücher dazu inspiriert wird, mal wieder selbst zu Stift und Papier zu greifen, um dem besten Freund oder dem Onkel, den man lange nicht gesehen hat, ein paar Zeilen zukommen zu lassen. Auf dass uns diese Kunst noch lange erhalten bleiben möge.


Edith Wharton – The Age of Innocence

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Die amerikanische Schriftstellerin Edith Wharton war 2014 eine sehr beglückende Neuentdeckung für mich. Gleich der erste Roman, den ich von ihr las, „The Age of Innocence“, begeisterte mich so, dass sie seitdem zu den Autoren zählt, die ich mir ab und zu als besonderen Leckerbissen „gönne“, wie Dickens, Hardy oder Eliot, wohl wissend, dass die Zahl ihrer Werke nicht unendlich ist. Außerdem schwingt immer die Angst mit, einmal einen richtigen Reinfall zu erleben, was mir glücklicherweise aber noch nicht passiert ist, auch wenn es natürlich stärkere und schwächere Bücher meiner „Säulenheiligen“ gibt.

Die aus einer wohlhabenden New Yorker Familie stammende Wharton war eine für ihre Zeit ungewöhnlich starke und selbstbestimmte Frau, die sich gegen die gesellschaftlichen Zwänge der amerikanischen High Society auflehnte, sich von ihrem Mann scheiden ließ und einige Zeit lang allein in Paris lebte, auch noch nach Ausbruch des 1. Weltkriegs, wo sie für Flüchtlinge, Verletzte, Arbeitslose und anderen Hilfsbedürftige praktische Unterstützung leistete. Dieses Leben eröffnete ihr ganz neue Blickwinkel auf ihre Zeitgenossen, die sie dann in kritischen Gesellschaftsromanen wie „The House of Mirth“ und eben „The Age of Innocence“ (für das Wharton 1921 den Pulitzerpreis erhielt) verarbeitete.

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Quelle: amazon.de

Der Roman spielt in den 1870ern, ist also in Whartons Kindheitsjahren angesiedelt, es ist eine Art Rückblick auf eine vergangene Epoche, deren Ende die Autorin miterlebte, wenn auch vermutlich nicht bedauerte. Vermutlich konnte sie nur mit dem Abstand von 50 Jahren eine solche Geschichte schreiben über die vorgebliche „Zeit der Unschuld“. Eine solche sollte es zumindest für die unverheirateten Damen der oberen Schichten sein – dass die Herren in weltlichen Dingen meist erfahrener waren, wurde stillschweigend hingenommen. Und oftmals wünschten sich diese als Braut sogar ein „reines“, wohlbehütetes Mädchen, das nichts mit den billigen Lebedamen gemein hatte, mit denen sie sonst möglicherweise verkehrten. So geht es auch dem jungen Anwalt Newland Archer, der kurz vor der Hochzeit mit der reizenden May steht. Sie ist die perfekte Braut, für ihre zukünftige Rolle als Ehefrau und Mutter hinreichend erzogen. Sonstige Bildung oder Erfahrungen sind da nicht vorgesehen und auch nicht erwünscht. Somit ist May das glatte Gegenteil ihrer älteren Cousine Ellen Olanska, die zu Beginn des Romans zurück aus Europa nach New York kehrt – skandalumwittert, lebt sie doch in Trennung und plant die Scheidung von ihrem Ehemann, einem dubiosen polnischen Grafen. Ihre zweifelhafte Reputation wirkt gleichzeitig abschreckend und faszinierend auf Archer, der von Seiten ihrer Familie verhindern soll, dass Ellen wirklich die Scheidung vollzieht. Dies gelingt ihm, doch durch ihre Treffen und Gespräche stellt er zunehmend die üblichen Konventionen und Ansichten in Frage, bis hin zu seinen eigenen Hochzeitsplänen und Vorstellungen eines gemeinsamen Lebens mit May.

The case of the Countess Olenska had stirred up old settled convictions and set them drifting dangerously through his mind. His own exclamation: „Women should be free—as free as we are,“ struck to the root of a problem that it was agreed in his world to regard as non-existent. „Nice“ women, however wronged, would never claim the kind of freedom he meant, and generous-minded men like himself were therefore—in the heat of argument—the more chivalrously ready to concede it to them. Such verbal generosities were in fact only a humbugging disguise of the inexorable conventions that tied things together and bound people down to the old pattern. […]ut Newland Archer was too imaginative not to feel that, in his case and May’s, the tie might gall for reasons far less gross and palpable. What could he and she really know of each other, since it was his duty, as a „decent“ fellow, to conceal his past from her, and hers, as a marriageable girl, to have no past to conceal? What if, for some one of the subtler reasons that would tell with both of them, they should tire of each other, misunderstand or irritate each other? He reviewed his friends‘ marriages—the supposedly happy ones—and saw none that answered, even remotely, to the passionate and tender comradeship which he pictured as his permanent relation with May Welland. He perceived that such a picture presupposed, on her part, the experience, the versatility, the freedom of judgment, which she had been carefully trained not to possess; and with a shiver of foreboding he saw his marriage becoming what most of the other marriages about him were: a dull association of material and social interests held together by ignorance on the one side and hypocrisy on the other.

Unaufhaltsam verliebt sich Newland in Gräfin Olenska und seine erste Reaktion ist, May um einen früheren Hochzeitstermin zu bitten, seine zweite, etwas spätere, Ellen seine Liebe zu gestehen und sich mit der Hoffnung zu tragen, sie an Mays Stelle zu ehelichen – schließlich ist es noch nicht zu spät, er ist noch frei und sie möglicherweise bald wieder. Doch das mag Ellen, die die Gegebenheiten viel klarer sieht, sich selbst und ihrer Cousine nicht antun und so findet dann die Hochzeit doch wie geplant statt. Natürlich kommt es, wie es kommen muss: Newland kann seine wirkliche Liebe nicht vergessen und ist enttäuscht von Mays oberflächlichem, dem seinen so unähnlichem Wesen. Das gesellschaftliche Leben ödet ihn an. Im Hinterkopf behält er stets die Fluchtmöglichkeit einer Affäre mit Ellen, doch diese will ein solches Dasein nicht, sie erklärt ihm, nur so lange in seiner Nähe zu bleiben, wie sie sich noch in der Öffentlichkeit in die Augen sehen können. „And that’s to be all—for either of us?“ „Well; it IS all, isn’t it?“

Ja, es ist ein trauriges Buch, zumindest für die Romantiker unter uns, die sich so wünschen, dass die Liebenden einfach auf die gesellschaftlichen Schranken pfeifen und einfach ein neues Leben in Europa beginnen. Das hat Newland ernsthaft vor, doch dann kommt ihm das Leben dazwischen, wie das leider oft passiert (May ahnt mehr und ist ihrerseits eine gewieftere Ränkeschmiedin als man annehmen könnte). Und dann bleibt alles beim Alten, bis es zum Schluss nicht mehr lohnt, ein Zurückdrehen der Zeit auch nur zu versuchen, weil das Vergangene wahrhaftiger erscheint als die Gegenwart.

Something he knew he had missed: the flower of life. But he thought of it now as a thing so unattainable and improbable that to have repined would have been like despairing because one had not drawn the first prize in a lottery. There were a hundred million tickets in HIS lottery, and there was only one prize; the chances had been too decidedly against him. When he thought of Ellen Olenska it was abstractly, serenely, as one might think of some imaginary beloved in a book or a picture: she had become the composite vision of all that he had missed.

Vermutlich ist das „enttäuschende“ Ende die realistischere Variante, die vernünftigste auf jeden Fall, denn wirklich glücklich wären Ellen und Newland vermutlich nicht geworden, so ganz außerhalb der Normen ihrer Freunde und Familie. Wie zermürbend das ist, kennt man z. B. aus „Anna Karenina“, das ungefähr zur gleichen Zeit spielt. Doch allein, dass Wharton solche Konflikte thematisiert und offen ausspricht, die aus der Diskrepanz der Erfahrungshorizonte zwischen Männern und Frauen, aus der konservativen Erziehung der Töchter und der herrschenden Doppelmoral herrühren, fand ich großartig und erstaunlich.

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Quelle: theguardian.com

Michelle Pfeiffer und Daniel Day-Lewis in den Hauptrollen der Romanverfilmung

Das Buch hat durch die opulente und werktreue Verfilmung von Martin Scorsese in den 90ern vermutlich, hoffentlich eine größere Bekanntheit auch in Deutschland erlangt, wo der Name der Autorin weniger geläufig zu sein scheint als beispielsweise der ihres Freunds Henry James. Ihre Themen und Schauplätze sind sich ähnlich und doch vom Stil her sehr unterschiedlich, glücklicherweise, denn mit dem Herrn konnte ich nicht viel anfangen. Zwar war ich von „The House of Mirth“, Whartons literarischem Durchbruch, etwas enttäuscht, doch immerhin geht es tragisch aus und für solche Geschichten habe ich bekanntermaßen eine Schwäche. Eine ähnliche Mischung aus Schicksalshaftigkeit und unterdrückter Leidenschaft, die mich bei „Age of Innocence“ so fesselte, fand ich übrigens auch in „Ethan Frome“ wieder, einem weiteren Meisterwerk Whartons, das ich zu einem späteren Zeitpunkt noch gesondert besprechen möchte.


Oktober 2005: Harry Potter and the Half-Blood Prince

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Dieser Tage jährt sich die Veröffentlichung des ersten Harry-Potter-Bandes zum 20. Mal – kaum zu glauben. Natürlich hat es ein bisschen gedauert, bis der Hype an Fahrt aufnahm, zumindest außerhalb des englischsprachigen Raums (wir sprechen hier von der Pre-Social Media-Ära, woran schon ersichtlich wird, dass es sehr lange her sein muss). Ich las die ersten vier Bücher Ende 2001 und freute mich anschließend über jede Neuerscheinung, auch wenn ich nie zu den Hardcore-Fans gehörte, die nachts vor Buchläden Schlange standen. Die meisten Bücher habe ich zudem nur einmal gelesen und die Filme haben mich nie sonderlich interessiert. Trotzdem würde ich sagen, dass Harry mich durch meine Teenagerzeit begleitet hat und es mir leid tat, mich 2007 von ihm zu verabschieden. Dennoch finde ich es irgendwie nicht in Ordnung, dass Rowling mit „The Cursed Child“ eine Fortsetzung auf den Markt gebracht hat. Ich will Harry nicht als erwachsenen Familienvater erleben, die wenigen Seiten am Ende von „Deathly Hollows“ haben mir als Blick in die Zukunft gereicht. Aber die Nachfrage nach „mehr“ ist eben da, wie auch an dem Franchise „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ ersichtlich.

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Quelle: harrypotter.wikia.com

Nachdem ich den Versuch, „Harry Potter and the Order of the Phoenix“ auf Englisch zu lesen, noch entnervt abgebrochen hatte, weil es mir durch das häufige Nachschlagen von Wörtern viel zu langsam ging, kam ich zwei Jahre später ganz gut damit klar. Also ist es vielleicht der Tatsache geschuldet, dass sich in der Handlung die Dinge zunehmend nur so überschlagen, dass ich mich an wenige Szenen konkret erinnern kann. Das sehr dunkle Ende bleibt natürlich unvergesslich: Mit viel Tamtam war vor Erscheinen angekündigt worden, dass eine wichtige Figur sterben würde (die Briten gaben natürlich Wetten ab) und einige verbreiteten sogar die Seitennummer für alle, die nicht das ganze Buch lesen durchackern wollten, um informiert zu sein. Ich hingegen verstopfte mir die Ohren und zögerte den Moment der Wahrheit so weit wie möglich hinaus.

Doch bereits das gesamte 6. Schuljahr steht unter keinem guten Stern: Die Angst vor Totessern hat zu einer massiven Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen geführt. Harry wird von Dumbledore persönlich bei den Dursleys abgeholt, weil er ihn bei den Weasleys sicherer glaubt, und im Laufe des Schuljahres so gut wie möglich auf den bevorstehenden Showdown vorbereitet.  Severus Snape bekommt endlich den von ihm heißersehnten Posten als Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste, während an seine Stelle als Zaubertrank-Lehrer Professor Slughorn tritt. Überraschenderweise ist Harry plötzlich Meister in diesem Fach, dank eines Lehrbuchs, das (laut eines Eintrags) ehemals dem „Halbblutprinz“ gehörte und jede Menge Notizen und Anweisungen enthält, die das Brauen der Zaubertränke erheblich erleichtern. Außerdem gehört er zu Slughorns Lieblingen, jedenfalls solange bis Harry herauszufinden versucht, welche Verbindung zwischen dem Professor und Voldemort bzw. Tom Riddle bestand. Schließlich erfährt er von der Existenz der Horkruxe, in denen Voldemort Teile seiner Seele versteckt, um sich unsterblich zu machen. Diese müssen vernichtet werden oder er wird niemals endgültig besiegt sein. An einen davon, das Medaillon von Salazar Slytherin, versuchen Harry und Dumbledore zu gelangen, doch der Preis dafür ist, dass der Schulleiter ein Gift trinkt, der ihn weitestgehend kampfunfähig macht, als er sich bei der Rückkehr Draco und einigen Totessern gegenüber sieht, die  versuchen, ihn zu töten.

But somebody else had spoken Snape’s name, quite softly.

“Severus . . .” The sound frightened Harry beyond anything he had experienced all evening. For the first time, Dumbledore was pleading. Snape said nothing, but walked forward and pushed Malfoy roughly out of the way. The three Death Eaters fell back without a word. Even the werewolf seemed cowed. Snape gazed for a moment at Dumbledore, and there was revulsion and hatred etched in the harsh lines of his face.

“Severus . . . please . . .”

Snape raised his wand and pointed it directly at Dumbledore.

Am Ende ist es also Snape, der den Todesfluch ausspricht und sich damit endgültig den Platz als unbeliebteste Figur der Saga sicherte. Bereits zuvor hatte Harry erfahren, dass es Snape gewesen war, der dem dunklen Lord die Prophezeiung über ihre miteinander verflochtenen Schicksale verriet und somit zur Ermordung seiner Eltern beitrug. Gleichzeitig beginnt der Leser jedoch zu ahnen, dass mehr hinter dieser Figur steckt als auf den ersten Blick erkennbar ist: Zum einen ist Dumbledore von Snapes Treue und seiner Abkehr von Voldemort felsenfest überzeugt und zum anderen enthüllt er schließlich, dass er selbst der Halbblutprinz ist – ein „Schlammblut“, was sich empfindlich auf sein Selbstwertgefühl auswirkte und mit Sicherheit auch zu seiner Hinwendung zu den dunklen Künsten beitrug, um sich zu behaupten.

Schließlich haben wir noch die üblichen amourösen Verwicklungen, auch wenn es allmählich ernster als in den vorherigen Bänden wird. Ron entdeckt endlich seine Gefühle für Hermine, wird er doch rasend eifersüchtig, als er von ihrer Liebelei mit Krum erfährt und rächt sich durch eine Kurzbeziehung mit Lavender Brown. Harry fühlt sich unterdessen immer mehr zu Ginny hingezogen, doch aus Rücksicht auf Ron hält er sich zunächst zurück.

She’s Ron’s sister, Harry told himself firmly. Ron’s sister. She’s out-of-bounds. He would not risk his friendship with Ron for anything. He punched his pillow into a more comfortable shape and waited for sleep to come, trying his utmost not to allow his thoughts to stray anywhere near Ginny.

Am Ende kommen sie doch zusammen, doch kann Harry wirklich eine Beziehung wagen, wenn all seine Gedanken und Handlungen auf das Vernichten von Voldemort ausgerichtet sein müssen? Auch Ron und Hermine will er weitestmöglich aus allem raushalten, er begreift es als „seine“ Mission, wohl auch angesichts Dumbledores Tod, der für ihn wie eine Vaterfigur war und dessen Ende er hilflos mitansehen musste. Sein Herz schreit nach Rache.

“Then I’ve got to track down the rest of the Horcruxes, haven’t I?” said Harry, his eyes upon Dumbledore’s white tomb, reflected in the water on the other side of the lake. “That’s what he wanted me to do, that’s why he told me all about them. If Dumbledore was right – and I’m sure he was – there are still four of them out there. I’ve got to find them and destroy them, and then I’ve got to go after the seventh bit of Voldemort’s soul, the bit that’s still in his body, and I’m the one who’s going to kill him. And if I meet Severus Snape along the way,” he added, “so much the better for me, so much the worse for him.”

Doch für seine Freunde steht es außer Frage, dass sie ihm beistehen werden. Das sehr dramatische Ende ist jedenfalls ein Vorgeschmack auf die Geschehnisse im finalen Buch. Nach Dumbledores Tod kann in Hogwarts nichts mehr sein wie bisher und folgerichtig werden unsere drei Helden nur für den Endkampf dorthin zurückzukehren, nicht zum Unterricht. Wenn es endgültig heißt: „Auf Wiedersehen, Kinder.“


Februar 2017: Heinz Strunk – Der goldene Handschuh

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Ich gerate selten an Bücher, bei denen ich mich an manchen Stellen regelrecht überwinden muss, weiterzulesen, weil mich der Inhalt so abstößt. Obwohl meine Ekelgrenze zugegebenermaßen auch sehr niedrig ist und ich keine Vulgärsprache mag. Andererseits wusste ich vorher, worum es in „Der goldene Handschuh“ geht und das Thema übte eine morbide Faszination aus, deshalb hatte ich es bald nach Erscheinen Anfang 2016 auf meine Leseliste gesetzt, als es auch für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war.

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Quelle: spiegel.de

Strunk, der eher durch sein satirisch-komisches Werk (u. a. für das Magazin „Titanic“ und mit dem Roman „Fleisch ist mein Gemüse“) bekannt geworden ist, verarbeitet in seinem Buch die Geschichte des Hamburger Frauenmörders Fritz Honka. Zwischen 1970 und 1975 tötete Honka vier Frauen aus dem Trinkermilieu, die er auf seinen Sauftouren in den Kneipen an der Reeperbahn kennenlernte, u. a. im „Goldenen Handschuh“. Er bot den obdachlosen Frauen an, bei ihm unterzukommen und verlangte im Gegenzug Sex. Im Affekt und Suff kam es dann zu den Tötungsdelikten, die Leichen zerstückelte und versteckte Honka im Folgenden auf dem Dachboden oder in einem kleinen Abstellraum neben seiner Wohnung. Sie wurden von niemandem vermisst und den Geruch schob er auf das Kochen der ausländischen Nachbarn.

Manche sitzen zwanzig, dreißig Stunden hier. Einmal hing einer zwei Tage und Nächte bewegungslos auf seinem Hocker, der war schon tot, wegen des Schichtwechsels hat aber keiner was gemerkt. Gesunder Schlaf, dachten die Leute. In der dritten Nacht war jemand gestürzt und hatte im Fallen den Toten mitgerissen, sonst wäre es wohl erst aufgefallen, wenn ihn die Ratten angenagt hätten. Gestorben und am dritten Tage auferstanden. Legendäre Geschichte das.

Gründer, Chef, Wirt und Inhaber des Lokals «Zum goldenen Handschuh», Hamburger Berg 2, ist der viermalige deutsche und zweimalige Europameister im Leichtgewicht, Herbert Nürnberg. Herbert, der fast jeden Tag persönlich hinter dem Tresen steht, ist eine Attraktion, eine Berühmtheit, allein schon wegen ihm kommen die Leute. Er kann Verrückte, Irre und Wahnsinnige voneinander unterscheiden, einen Schreihals von einem Schläger und einen Dieb von einem Mörder. Er sieht einem an, ob er Geld in der Hosentasche hat oder einen Bellmann. Seit 1962 hat der Handschuh rund um die Uhr geöffnet, 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Es gibt einen vorderen und einen hinteren Teil. Hinten sind drei Tische, vorne vier. Rechts vom Eingang steht der L-förmige Tresen. Die Toiletten sind im Keller.

Das ist kein Lokal, in der man freiwillig einen Fuß setzt, wenn man nicht zu dieser Gruppe verwahrloster, bei lebendigem Leib verschimmelnder Trinker gehört, die dort ihr kümmerliches Dasein fristen. Manche von ihnen waren im Knast, andere sind früher auf den Strich gegangen oder waren in der Armee, irgendwann haben sie jedenfalls den Anschluss verloren, zu trinken angefangen, und schlagen sich nun mit Gelegenheitsjobs durch oder leben von einer kleinen Rente.

Und mittendrin „Fiete“, wie Honka im Roman genannt wird, „der kleine, schiefe Mann mit dem eingedrückten Gesicht und den riesigen Händen“. Er hat vom Leben nie eine faire Chance erhalten. Aufgewachsen in einem Leipziger Kinderheit, muss er eine Maurerlehre aufgrund einer Allergie abbrechen. Er flieht in den Westen, wo er bei einem sadistischen Bauern landet, der sein versuchtes Entkommen „bestraft“, indem er ihn absichtlich mit dem Traktor anfährt, wovon Fiete lebenslange Schäden  davonträgt, die verhindern, dass er einer geregelten Arbeit nachgehen kann. Er heiratet, doch die Ehe zerbricht am Suff. Außerdem wird er vor allem im betrunkenen Zustand sehr aggressiv und hat sexuelle Gewaltfantasien, die er bei den ihm gefügigen Frauen auszuleben versucht. Dass diese in der Regel älter und ziemlich heruntergekommen sind, verstärkt seine Wut nur noch. Manchmal stellt er sich vor, er würde aufwachen und neben ihm liege eine Junge, Hübsche. Als er von einer seiner vorübergehenden „Partnerinnen“ erfährt, dass sie eine Tochter hat, versucht er sie zu überreden, dass sie ihm diese zuführt, lässt sie sogar einen Vertrag mit dieser Bedingung (nebst anderen, die sie zu seiner Sklavin machen sollen) unterschreiben. Andererseits fehlt ihm durch den Suff die dauerhafte Energie, bestimmte Pläne in die Tat umzusetzen oder dauerhaft zu verfolgen. Als er eine Stelle als Nachtwächter in einem Betrieb erhält, nimmt er sich vor, nur noch am Wochenende zu trinken und auch sonst ein anständiger Mensch zu werden, der seine Freizeit sinnvoll nutzt – zum Beispiel mit einer Hafenrundfahrt –, doch auch dieser Entschluss hält nicht lange vor.

Doch Strunk porträtiert nicht nur Honka und dessen Umfeld, er begibt sich auch in ein ganz anderes: das des Anwalts Karl von Lützow und der Reederfamilie von Dohren, insbesondere von „WH3“, dem Enkel des Firmenpatriarchen. Lützow und Fiete verbindet, dass sie beide alkoholkrank sind und sadistischen Sex mit wechselnden Frauen haben, doch kann sich der lebensmüde Lützow aufgrund seiner Position besser aussehende Geliebte leisten. WH3 hingegen ist 16 und ständig notgeil, hat aber aufgrund einer Behinderung keine Chance bei den Mädchen seiner Schule, bis sich plötzlich die hübsche Petra für ihn zu interessieren scheint … Am Ende landen sie alle im „Goldenen Handschuh“, jeder auf der Suche nach der Befriedigung seiner Sehnsüchte und Triebe, alle gleichermaßen bemitleidenswert und gleichzeitig abscheueinflößend. Und obwohl nur Honka zum Mörder wird, besteht kein Zweifel, dass die zwei anderen ebenfalls dazu in der Lage wären, aus Verzweiflung, (Selbst-)Hass und gekränktem Ego.

Die sehr plastischen, detaillierten Beschreibungen von körperlichem Verfall, Gewalt und Fietes heruntergekommener Behausung (dreckig und nach Verwesung stinkend, was er mit Raumspray zu überdecken versucht) machen die Lektüre wirklich nicht leicht, aber umso eindringlicher. Man sträubt sich unwillkürlich dagegen, so vertraut mit einem Frauenmörder zu werden, am Ende gar Verständnis für seine Taten aufzubringen, was sicher auch nicht das Anliegen von Strunk ist. Aber kein Mord geschieht aus dem Nichts, solche Taten haben eine lange Geschichte, sowohl vor als auch nach ihrem Geschehen. Fiete schafft es irgendwie, zu verdrängen, dass er Frauen umgebracht hat (was ja ohnehin im Suff geschah), auch wenn sein Wahnsinn langsam überhand nimmt, wobei dabei wohl der Alkohol der Hauptgrund ist. Die Entdeckung der Taten und sein weiteres Schicksal werden in einem kurzen Epilog dargestellt, in dem der literarische Ton wieder in einen nüchtern-sachlichen umschwenkt. Der Leser wird quasi zurück in die Wirklichkeit geholt und daran erinnert, dass diese Geschichte wirklich so oder so ähnlich passiert ist. Die hart an der Realität beschriebenen Charaktere und Milieus sind erschreckend, wenn man damit nie in Berührung gekommen ist.

Die „kultige Kiez-Kneipe“ Zum Goldenen Handschuh hat übrigens immer noch rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr geöffnet.



März 2007: Nick Hornby – A Long Way Down

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Um Nick Hornby scheint es etwas ruhig geworden zu sein, während in den 90ern und 00ern seine Bücher gefeiert und verfilmt wurden. Zu den bekanntesten gehören „High Fidelity“ über einen Musik-Nerd mit Beziehungsschwierigkeiten und „About A Boy“ über die Freundschaft zwischen einem beziehungsängstlichen Lebemann und einem Schuljungen. In „Fever Pitch“ schreibt er über seine Leidenschaft für Arsenal London, mit einem erstaunlichen Gedächtnis für Ergebnisse und Spielszenen. Mit „Slam“ versuchte er sich an einem Jugendroman über einen Skateboarder im Teenager-Alter, dessen Freundin ungewollt schwanger wird und der imaginäre Lebenshilfe von seinem Idol Tony Hawks erhält – dieses Buch mochte ich von allen Hornby-Romanen am liebsten.

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Quelle: lovelybooks.de

Der erste, den ich las, war jedoch „A Long Way Down“. Zum Lesen verführte mich die ungewöhnliche Ausgangssituation: Vier Menschen treffen sich in einer Silvesternacht auf dem Dach eines Londoner Hochhauses, weil jeder von ihnen seinem Leben ein Ende setzen will. Doch in Gesellschaft springt es sich nicht so gut und so beschließen sie, die Sache auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Im weiteren Verlauf lernen wir ihre persönlichen Motive für den Drang zum Suizid kennen und erfahren, wie es mit ihnen weitergeht. Dabei wird die Geschichte jeweils aus der Sicht der Protagonisten erzählt. Diese wären: Maureen, eine einsame Hausfrau mit einem schwerbehinderten Jungen; Martin, ein bekannter TV-Moderator, dessen Nachtclub-Leben und Affären von der Yellow Press ausgebreitet wurden; Jess, die junge Tochter eines Politikers, die Probleme mit ihrer Familie hat und von ihrem Freund verlassen wurde; und schließlich JJ, ein Amerikaner, dessen Traum von einer Musikkarriere geplatzt ist. Unvermeidlicherweise freunden sich die vier an und finden gemeinsam eine positivere Sicht auf das Leben.

Diese Kurzfassung klingt recht kitschig, tatsächlich läuft es die meiste Zeit nicht sehr harmonisch ab, und es lösen sich auch nicht im Handumdrehen alle Probleme in Luft auf. Immerhin gelingt es den Charakteren, einmal die Perspektive zu widmen und so zu erkennen, dass es noch immer Hoffnung gibt. Am ärgsten hat es zweifellos Maureen getroffen: Wie sie selbst berichtet, ist ihr Sohn Matty das Produkt eines One-Night-Stands, der obendrein die einzige sexuelle Begegnung war, die sie je gehabt hat. Sie opfert sich in ihrer Rolle als Mutter auf, zweifellos auch als „Buße“ für ihren Fehltritt, wie sie ihre Affäre als praktizierende Katholikin ansieht.

Der Roman ist im typischen Hornby-Stil mit viel schwarzem Humor geschrieben und packt einen schnell, auch wenn man vielleicht den einen oder anderen Protagonisten nicht so mag (insbesondere Jess) oder dessen Probleme vergleichsweise gering zu sein scheinen. Der Autor versucht auch nicht, am Ende alles in Wohlgefallen auflösen zu wollen, die Möglichkeit eines Suizids steht weiterhin im Raum und ist nur vertagt – vielleicht ähnlich wie beim „Steppenwolf“, der in dieser Möglichkeit Trost fand. Insgesamt eine hübsche Geschichte darüber, wie man sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht –  auch wenn das in der Realität bei einer  Depression leider nicht so einfach ist.

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Quelle: joblo.com
Tun Sie’s nicht! Szenenfoto aus der Verfilmung mit Pierce Brosnan, Imogen Poots und Toni Collette


September 2017: Friedrich Spielhagen – Problematische Naturen

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Dies ist ein weiterer Schatz, über den ich ohne Rolf Vollmanns „Roman-Verführer“ vermutlich nie gestolpert wäre. Und bei dem man sich fragt, wie sowohl Buch als auch Autor so in Vergessenheit geraten konnten. Die Geschichte würde sich ausgezeichnet für eine mehrteilige Verfilmung eignen, denn sie enthält etliches, was sich ein Drehbuchschreiber von Seifenopern nicht besser hätte ausdenken können: Einen anfangs strahlenden Helden, als Liebling aller Frauen in einige romantische Wirren verstrickt und als Bürgerlich jedem Adligen überlegen; Bürgerliche, die sich als Adelssprösslinge entpuppen und umgekehrt; ein Paar, das füreinander bestimmt ist und nicht zusammenfindet; ein Duell; eine wilde Verfolgungsjagd übers Eis auf ein durchgebranntes Liebespaar; den Tod einer Hauptfigur nach der Hälfte der Handlung; und schließlich eine Revolution mit Barrikadenkämpfen als krönenden Höhenpunkt. An Spannung mangelt es also gewiss nicht, und all dies war sicher ein wesentlicher Grund für den großen Erfolg von „Problematische Naturen“ nach seinem Erscheinen 1860. Er vermischt Trivialliteratur mit einem wunderbaren, facettenreichen Gesellschaftsbild des Vormärz und vermittelt die herrschende Atmosphäre in Deutschland, die sich schließlich in der Revolution von 1848 entlud.

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Quelle: picclick.de

Der erwähnte „strahlende Held“ heißt Dr. Oswald Stein (der Name allein weckt in mir keine romantischen Gefühle, aber das sei dahingestellt), ist Mitte 20 und tritt zu Beginn des Romans eine Stelle als Hauslehrer auf dem Rügener Sitz des Barons von Grenwitz an. Seine Schützlinge heißen Malte und Bruno, wobei ersterer der Erbe des Geschlechts, der andere nur ein verarmter Verwandter ist. Doch gerade Bruno hat dem kränklichen, verhätschelnden Malte viel voraus, er ist wie eine Naturgewalt, stark und wild. Zwischen ihm und Oswald entsteht schnell eine tiefe Vertrautheit, die über das übliche Lehrer-Schüler-Verhältnis weit hinausgeht. Der junge Doktor hasst alle Adligen, etwas, das ihm (wie das Schießen) sein Vater gelehrt hat, bei dem er hauptsächlich aufwuchs – seine Mutter verstarb früh. Oswald steckt voller hoher Ideale und hehrer Ziele, doch am Ende machen ihm stets seine Gefühle einen Strich durch die Rechnung. So geschieht es schon zu Anfang seines Aufenthalts auf dem Gut, als er sich in Melitta von Berkow verliebt, eine Nachbarin der Grenwitzens. Von ihrem Vater zu einer unglücklichen Ehe gedrängt, mit einem Mann, der aufgrund seiner Ausschweifungen geisteskrank geworden ist, führt sie ein trauriges und relativ einsames Leben, sodass es wenig verwundert, dass sie sich bald mit Leib und Seele Oswald hingibt. Doch es gibt einen Konkurrenten um ihre Gunst: Ihren Jugendfreund Baron von Oldenburg, der aus unglücklicher Liebe zu Melitta rastlos durch die Welt zieht. Als er wieder zurück in seine Heimat kommt, wird er von Oswald zunächst misstrauisch beäugt, doch bald entsteht zwischen den zwei Männern eine Art Freundschaft, die auf eine Seelenverwandtschaft begründet ist: Sie sind beide „problematische Naturen“.

„Es ist ein Goethescher Ausdruck und kommt in einer Stelle vor, die mir viel zu denken gegeben hat. ›Es gibt problematische Naturen‹, sagt Goethe, ›die keiner Lage gewachsen sind, in der sie sich befinden, und denen keine genug tut. Daraus‹, fügt er hinzu, ›entsteht der ungeheure Widerstreit, in dem sich das Leben ohne Genuss verzehrt.‹ – Es ist ein grausiges Wort, denn es spricht in olympischer Ruhe das Todesurteil über eine, besonders in unseren Tagen, weitverbreitete Gattung guter Menschen und schlechter Musikanten.“

Tatsächlich kann Oswald nie lange bei einem Glück verharren: Schon kurz nach Beginn seiner Romanze mit Melitta weckt er, eher ungewollt, die Hoffnungen einer jungen Adligen, die sich daraufhin in glühender Liebe zu ihm verzehrt und sich Hals über Kopf mit einem geckenhaften Nichtsnutz verlobt, als Oswald ihr gegenüber plötzlich kalt reagiert. Außerdem kommt im Laufe des Sommers Maltes ältere Schwester Helene aus der Pension zurück aufs väterliche Gut. Oswald hatte bereits von seinem Mentor und Freund Professor Berger von Helenes Schönheit gehört und auch bei ihm verfehlt sie nicht ihre Wirkung. Helene wiederum soll mit ihrem Cousin Felix verheiratet werden, damit im Todesfall ihres Vaters und ihres Bruders der Adelstitel trotzdem in der Familie bleibt – darauf ist die Frau Baronin ängstlich bedacht. Außerdem gibt es da noch diese ominöse testamentarische Verfügung des vorherigen Barons, dass ein Teil des Eigentums auf sein uneheliches Kind übergehen soll, wenn dieses denn gefunden wird. Die schwangere Geliebte war seinerzeit heimlich weggelaufen, um der Schande zu entgehen… Als der Landvermesser Albert Timm auf dem Gut auftaucht, kommt er diesem Geheimnis bald auf die Spur und betreibt eifrig Spurensuche, um die gewonnenen Informationen zu seinem Vorteil zu nutzen.

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Quelle: de.wikipedia.org

Friedrich Spielhagen ca. zur Zeit der Veröffentlichung von „Problematische Naturen“

Es ist ein breites Gemälde, das uns Spielhagen hier präsentiert, mit sehr vielen Haupt- und Nebencharakteren, die aber allen berechtigten Platz in der Handlung haben und teilweise sogar zur Lösung des Rätsels beitragen, das einen Hauptstrang des Romans bildet (wer der illegitime Erbe von Grenwitz ist). Insgesamt umfasst das Werk über 1000 Seiten und besteht eigentlich aus zwei Büchern, die im Abstand von zwei Jahren erschienen: „Problematische Naturen“ und „Durch Nacht zum Licht“. Der erste Band endet damit, wie Oswald halb aus eigener Schuld, halb durch unglückliche Umstände (seine Liebe zu Helene lässt ihn ihren vorgesehenen Bräutigam beleidigen, ein Problem, das Ehrenmänner damals nur auf eine Art lösen konnten) und auch infolge eines Schicksalsschlags aus dem Paradies, dass das Gut Grenwitz einen Sommer lang für ihn gewesen ist, vertrieben wird. Der zweite Band spielt dann im Herbst und Winter in Sundin, worin sich unschwer Strahlsund erkennen lässt, sowie in Berlin, wo Oswald eher zufällig in die Wirren der Revolution gerät, welche aber recht gut zu seinem privaten Chaos passt, nachdem die Flucht mit der verheirateten Geliebten wie vorhersehbar kein Happy-End hat.

In das wilde Allegro von Oswalds jetzigem Leben tönte wie Äolsharfenklänge die Erinnerung an Alles, »was sein einst war;« an seine schwärmerische Jugendzeit, wo rosige Wölkchen den Horizont umsäumten, hinter dem die geheimnis- und wundervolle Zukunft lag; an die seligen Tage von Grenwitz, wo sich für ihn die alte Sage vom Paradiese wiederholen zu wollen schien; an seine Freundschaften mit großen, zum mindesten guten Menschen: mit Berger, Oldenburg, Franz, Bemperlein – wohin, wohin dies Alles? Die Jugend versunken für immer und mit ihr all‘ die holden rosigen Träume der Jugend; aus dem Paradiese nichts geblieben, als der bittere Geschmack der Frucht von dem Baume der Erkenntnis, dass Wankelmut der Seele und treue Liebe nimmer Hand in Hand gehen können.

Im zweiten Buch verliert Oswald durch seine amourösen Verstrickungen allmählich seinen „Heldenstatus“, er sinkt moralisch herab und wird zum bloßen Verführer, der sich zu Handlungen hinreißen lässt, von denen er weiß, dass sie falsch sind. Als Leser steht man da hilflos daneben, man möchte ihn an der Schulter packen und auf den rechten Weg zurückführen. So verschieben sich die Sympathien unwillkürlich in Richtung Oldenburg, der scheinbar seinen Ruf als „Libertin“ pflegt, aber sich in Zeiten der Not als treuer Freund von Melitta erweist, auch wenn ihn ihre Unfähigkeit, seine Gefühle zu erwidern, fast zerreißt. Außerdem ergreift er auf den Berliner Barrikaden die Partei des Volkes, kämpft quasi gegen die Angehörigen seines eigenen Standes, gegen ihre Dünkelhaftigkeit und moralische Verkommenheit. Denn die meisten Adligen zeichnen sich bei Spielhagen durch diese Eigenschaften aus, oder sie sind schwach und kränklich, wie im Fall von Malte von Grenwitz, seinem Vater und dem Cousin Felix, der an Schwindsucht leidet.

Ihnen gegenüber stehen Figuren wie Professor Berger, Oswalds väterlicher Freund und Mentor, der ihm die Stelle als Hauslehrer beschafft und der stets die Fahne der freiheitlichen Rechte hochhält, auch wenn er sich dabei wie der „letzte Mohikaner“ fühlt. Vorübergehend verfällt er dem Wahnsinn und auch er hütet einen finsteren Groll gegen einen Adligen… In diesen Klischees sowie in den Verstrickungen, die sich erst gegen Ende des Buchs allmählich auflösen, und im Pathos, der die Barrikadenkämpfer umweht, hat Spielhagen recht dick aufgetragen, doch störte mich das bei der Lektüre nicht besonders, weil er stets mitreißend erzählt und immer wieder geschickt den Fokus wechselt, sodass man unwillkürlich gefesselt wird. Außerdem macht er die Schwächen durch wunderbare Naturbeschreibungen sowie köstliche Szenen aus dem Biedermeier-Bürgertum wieder wett, das durch eine Möchtegern-Poetin und ihren Gatten repräsentiert wird, die eine schreckliche Demütigung in einem Literaturzirkel erleben.

Je mehr sich die 1078 Seiten ihrem Ende zuneigten, umso merkwürdiger erschien es mir, dass weder Roman und Autor heute noch gelesen werden (außer von Vollmann natürlich, dem anscheinend kein lesenswerter Roman entgangen ist). Er gehört zu denen, von denen man sich wünscht, sie würden nie enden. Die Ausgabe, die ich las, erschien in den 1960er Jahren im DDR-Buchverlag Der Morgen (Spielhagens gegen die Junker gerichteten Ansichten prädestinierten ihn wohl für eine Verlegung im Osten), auf Amazon wird eine Ausgabe von 1923 als Taschenbuch-Reprint angeboten. Allen, die ihn irgendwo antiquarisch findet, kann ich nur zum Lesen raten – er ist ein echtes Kleinod in der ansonsten recht dünnen deutschen Romanlandschaft zur Mitte des 19. Jahrhunderts (zumindest im Vergleich zu anderen Ländern, die uns etliche Klassiker aus dieser Ära hinterlassen haben). Übrigens wurde der Stoff bereits 1912 verfilmt, doch ist anscheinend keine Kopie davon erhalten. Vielleicht sollte man den Verantwortlichem im Film- und Fernsehgeschäft mal einen diskreten Tipp geben …

 


Dezember 2015: Helen Macdonald – H is for Hawk

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Wie so oft, wurde mein Interesse zuerst durch das Cover geweckt: Dieses wird durch die prächtige Zeichnung eines Habichts geziert. So sah ich es im Herbst 2015 in einer deutschen Buchhandlung und merkte mir Titel und Autor, um danach zu suchen, wenn ich wieder zurück in England sein würde. Zum Glück hatte die Bibliothek einige Exemplare und so kam ich bald schon in den Genuss der Lektüre dieses wirklich außergewöhnlichen und großartigen Buchs.

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Quelle: goodreads.com

Es ist kein Roman, sondern ein autobiografischer Bericht Helen Macdonalds über ihren Versuch, ein Habichtweibchen abzurichten, um den traumatischen Tod ihres Vaters zu verarbeiten. Macdonald ist von Kindheit an von Greifvögeln fasziniert und kennt sich perfekt mit Geschichte und Begriffen der Falknerei aus, träumte sogar davon, einmal diesen Beruf zu ergreifen. Mit 12 hatte sie ihren ersten Falken. Ihr Vater hatte sie bei ihrem Hobby immer unterstützt, und als die Trauer sie in ein tiefes Loch stürzen lässt, kommt ihr der Gedanke, das alte Hobby wieder aufzunehmen, um eine Aufgabe zu haben und nicht durchzudrehen.

I sat at my computer in my rain-lit study. I telephoned friends. I wrote emails. I found a hawk-breeder in Northern Ireland with one young goshawk left from that year’s brood. She was ten weeks old, half Czech, one-quarter Finnish, one-quarter German, and she was, for a goshawk, small. We arranged that I should drive to Scotland to pick her up. I thought that I would like to have a small goshawk. ‘Small’ was the only decision I made. I didn’t think for a second there was any choice in the matter of the hawk itself. The hawk had caught me. It was never the other way around.

Schließlich kauft sie Mabel, ein junges Weibchen, und die lange, nervenzehrende Arbeit mit ihr beginnt – Habichte gelten in der einschlägigen Literatur als „schwierig“. Neben kleinen Erfolgen gibt es immer wieder Rückschläge, es ist eine Aufgabe, auf die sich Helen voll und ganz einlassen muss und die ihr kaum Zeit für anderes lässt (also genau das, was sie in ihrer Situation braucht). Über ihre eigentliche Arbeit als Fellow der University of Cambridge erfährt man wenig, nur dass die Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt gekündigt wird und sie aus ihrer Wohnung ausziehen muss. Sie kommt bei Freunden unter, doch mit Mabel verändern sich ihre sozialen Beziehungen, weil ihr gesamter Lebensinhalt nur noch der Habicht ist – sie wird zu einer Einsiedlerin mit Vogel

In die Erzählung ihres eigenen Erlebens flicht sie auch Zitate und Bruchstücke der Biografie von T. H. White ein, einem englischen Schriftsteller, dessen Buch „The Goshawk“ (der englische Name für den Habicht) sie zum ersten Mal im Alter von 8 Jahren las, natürlich weil es ihre geliebten Greifvögel behandelt. Interessanterweise bin ich durch „H is for hawk“ auf ein anderes wunderbares Werk gestoßen, nämlich Whites Romantetralogie „The Once and Future King“, eine Adaption der Artus-Legende, wovon der erste Teil „The Sword in the Stone“ als Vorlage für Disneys „Die Hexe und der Zauberer“ diente (ein Post dazu wird folgen). Die kleine Helen ist von Whites Habichtbuch enttäuscht, das ihr kindliches Verständnis übersteigt, doch die Hauptfigur Gos darin liebt sie und schlussendlich wird es zu ihrer wachsenden Begeisterung für die Falknerei beitragen. Darum kommt sie nicht umhin, dem Autor in ihrer Geschichte einen bedeutenden Platz einzuräumen:

The book you are reading is my story. It is not a biography of Terence Hanbury White. But White is part of my story all the same. I have to write about him because he was there. When I trained my hawk I was having a quiet conversation, of sorts, with the deeds and works of a long-dead man who was suspicious, morose, determined to despair. A man whose life disturbed me. But a man, too, who loved nature, who found it surprising, bewitching and endlessly novel. ‘A magpie flies like a frying pan!’ he could write, with the joy of discovering something new in the world. And it is that joy, that childish delight in the lives of creatures other than man, that I love most in White. He was a complicated man, and an unhappy one. But he knew also that the world was full of simple miracles. ‘There is a sense of creation about it,’ he wrote, in wonderment, after helping a farmer deliver a mare of a foal. ‘There were more horses in the field when I left it than there were when I went in.’

Das tragische Leben von White – einem Eigenbrötler und heimlichen Homosexuellen mit sadistischen Neigungen und wenig Glück in zwischenmenschlichen Beziehungen – berührt den Leser ebenso wie Macdonalds Beschreibung ihres langen Wegs zu Mabels Zähmung, beispielsweise die Szenen, in denen sie Mabel allmählich an Menschen gewöhnt, indem sie mit ihr durch Cambridge läuft, oder ihre Panik, als sie den Vogel verliert und stundenlang nicht wiederfindet, sehr fesselnd sind. Ich fand es auch deshalb besonders interessant, da der Schauplatz mein damaliger Wohnort war und ich mir so recht genau vorstellen konnte, durch welche Straßen und Parks Helen mit Mabel bei ihren Ausflügen ging und wie die Umgebung aussah, in der sie den Habicht fliegen ließ.

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Quelle: http://fretmarks.blogspot.de

Macdonald mit Mabel, ca. 2008.

Auf Englisch las es sich etwas schwierig, insbesondere die Fachausdrücke der Falknerei (viele aus dem Französischen entlehnt, da dies einst der Sport des normannisch-stämmigen Adels war), doch möglicherweise wäre es mir wenig anders bei der deutschen Ausgabe gegangen – die Übersetzung muss auf jeden Fall viel Recherche in diesem Bereich gekostet haben. Die Autorin kann sich auf jeden Fall wunderbar in Mabel hineinversetzen, bis hin zu einer fast völligen Identifikation, sie sieht die Welt durch Mabels Augen und bringt uns diese uns so fremde Sicht auf die Welt näher. Sie findet dafür eine manchmal berückend schöne Sprache, die die Lektüre zu einem besonderen Genuss macht und das Buch zu einem unvergesslichen Schatz. Jeder Mensch geht anders mit Trauer um und manche finden schwerer zurück zur Normalität als andere. Helen Macdonalds Art der Bewältigung mag sehr ungewöhnlich erscheinen, doch durch die völlige Verausgabung in ihrer Aufgabe, in Laufe derer sie manchmal fast selbst zu einem Tier wird, gelingt es ihr schließlich, zurück ins Leben zu kehren, als reiferer Mensch.

I look down at my hands. There are scars on them now. Thin white lines. Once is from her talons when she’d been fractious with hunger; it feels like a warning made flesh. Another is a blackthorn rip from the time I’d pushed through a hedge to find the hawk I’d thought I’d lost. And there were other scars, too, but they were not visible. They were the ones she’d helped mend, not make.

Ein Gespräch mit der Autorin aus dem Jahr 2015 findet man hier.

November 2016: Nikolaus Wachsmann – KL

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Es wurde schon so viel über das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte geschrieben, dass sich der eine oder andere fragen könnte, ob ein weiteres Buch zu diesem Thema wirklich nötig ist. Zumal manche durch seine Überpräsenz in der Schule und in den Medien sich vielleicht einfach nicht erneut und in dieser Ausführlichkeit, wie sie die fast 1000 Seiten verlangen, damit auseinander setzen will. Aber wer wirklich verstehen möchte, wie etwas Unmenschliches wie die Konzentrationslager der Nazis entstehen konnten und vor allem die Entwicklung von den anfänglich „wilden“ Lagern für vorwiegend politische Gefangene hin zum systematischen Massenmord nachvollziehen sucht, kommt um „KL“ nicht herum, es ist fast sofort nach Erscheinen 2015 zum Standardwerk auf diesem Gebiet geworden, da nun erstmals alle Aspekte der Forschung und aktuelle Erkenntnisse in einer Monografie vereint sind.

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Quelle: randomhouse.de

In seiner Danksagung wendet sich der Autor u. a. an seine Familie, die ihm während der langjährigen Recherche und des Schreiben Kraft gegeben und gezeigt hätten, dass das Leben auch schöne Seiten hat, was man bei intensiver Beschäftigung mit den Nazi-Gräueln leicht vergessen kann. Die Lektüre ist keine angenehme; manchmal muss man sich dazu durchringen, weiterzulesen und ich suchte mir dafür auch noch den November aus, wahrscheinlich den denkbar schlechtesten Monat.

„KL“, so die offizielle Nazi-Abkürzung für „Konzentrationslager“, beschäftigt sich intensiv mit den verschiedenen Perioden ihrer Existenz. Entstanden die ersten Lager noch zahlreich und quasi spontan, um die massenhaft Verhafteten nach der Machtübernahme Hitlers Anfang 1933 zu internieren, ging man im Laufe der Zeit immer sogfältiger und routinierter bei Auswahl des Geländes und Errichtung der nötigen Struktur vor, nachdem einmal der Verwaltungsapparat stand und die Weisungsbefugnis klar war. Trotzdem war der Entwicklungsweg nie geradlinig oder gar vorgezeichnet, denn wie Wachsmann immer wieder verdeutlicht, sah es zu mehren Zeitpunkten so aus, als würden die Lager völlig aufgelöst werden. Die Zahl der Inhaftierten schwankte stark, Mitte der 30er war sie jedoch auf einem Tiefststand von ca. 5000 angelangt. Auch der Haftgrund änderte sich, die „Politischen“ rückten in den Hintergrund, stattdessen versuchte man, die Volksgemeinschaft von allem „Undeutschen“ zu bereinigen (Sinti und Roma, Homosexuelle, sogen. Asoziale, Zeugen Jehovas). Erst nach den Novemberprogromen wurden Juden zur zahlenmäßig größten Gruppe. Mit Ausbruch des Krieges schließlich nahmen die Lager immer größere Ausmaße an, bis ein riesiges Netzwerk aus Haupt- und Nebenlagern bestand. Die reinen Vernichtungslager wie Treblinka oder Sobibor werden übrigens weitestgehend ausgeklammert, weil ihr Zweck und Betrieb sich stark von den anderen, vorrangig der Zwangsarbeit dienenden Lager unterschied. Die planmäßige Tötung war zuvor schon hinreichend im Rahmen der Aktion T4 an geistig und körperlich Behinderten getestet worden, sowie in verschiedenen Lagern (und erstmals mit Zyklon-B) an sowjetischen Kriegsgefangenen.

Wachsmann bemüht sich, anhand von Einzelschicksalen sowohl von Tätern (unter Berücksicitgung ihres gesellschaftlichen Hintergrunds und der scheinbaren „Normalität“ ihrer Arbeit) als auch Opfern das monströse Geschehen greifbarer zu machen. Trotzdem findet auch er keine wirkliche Antwort auf die Frage, wie Menschen auf diese Weise zu Mördern werden können, nicht selten im Namen einer Pseudowissenschaft wie die verantwortlichen Ärzte hinter T4. Außerdem thematisiert er unter anderem die furchtbaren Entscheidungen, die Lagerinsassen immer wieder treffen mussten, wenn sie z. B. als Kapo zu Handlangern der SS-Wachmannschaften wurden – wie „freiwillig“ übernahm man solche Aufgaben? Wie viel Selbstlosigkeit durfte man sich überhaupt erlauben, wenn man überleben wollte, welche Rolle spielten Glück und Zufall dabei? Auch diese Fragen tragen teilweise zum Unbehagen während der Lektüre bei.

Für mich war das Buch Ausgangspunkt, mich noch einmal ausführlicher mit einigen Aspekten zu beschäftigen, so las ich anschließend Niklas Franks Abrechnung mit dem eigenen Vater, dem Generalgouverneur des besetzten Polen, sowie einige Protokolle des Auschwitz-Prozesses, die z. T. online verfügbar sind. Ich habe immer wieder Phasen, in denen ich mich fast obsessiv mit dem Thema beschäftige, als wäre die Auseinandersetzung damit die einzige Art, das diffuse Gefühl der „Erbschuld“ zu bekämpfen, das für mich als Deutsche nie ganz verschwinden wird.

2018

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Januar 2018

Geert Mak: Die vielen Leben des Jan Six

Christoph Martin Wieland: Die Geschichte der Abderiten

Christian Eichler: 90

Peter von Matt: Sieben Küsse

Gusel Jachina: Suleika öffnet die Augen

Stephen Fry: Moab Is My Washpot

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Februar 2018

Georg Hermann: Der etruskische Spiegel

Stephan Lessenich: Neben uns die Sintflut

Graham Greene: The Heart of the Matter

Rainer Wieland: Das Buch der Tagebücher

Sebastian Faulks: Charlotte Gray

Isabel Bogdan: Der Pfau

Jonas Lie: Ein Mahlstrom/Lebenslänglich verurteilt

Hanns Zischler: Kafka geht ins Kino

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März 2018

Lutz C. Kleveman: Lemberg

Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen

Liv Strömquist: Der Ursprung der Welt

Guntram Vesper: Frohburg

Fjodor M. Dostojewski: Die Brüder Karamasow

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2006 war mein Dostojewski-Jahr: Nachdem ich im Mai in nur vier Tagen „Schuld und Sühne“ durchgeackert hatte, war im Herbst sein letztes Werk, „Die Brüder Karamasow“, dran, das meine Bibliothek als zweibändige Ausgabe hatte. Wie im erst genannten Roman steht auch hier im Mittelpunkt ein Verbrechen, das jedoch von zahlreichen anderen Konflikten und philosophischen Betrachtungen überlagert wird.

Die titelgebenden Brüder heißen Dmitri, Iwan und Alexei („Aljoscha“ genannt) und könnten unterschiedlicher nicht sein. Dmitri, der Älteste, führt als Soldat ein ausschweifendes Leben und neigt wie sein Vater Fjodor Pawlowitsch zu Zornesausbrüchen oder impulsivem Verhalten. Iwan dagegen ist Intellektueller und Philosoph, der von den Ideen des Nihilismus und Atheismus beeinflusst ist. Das Nesthäkchen Aljoscha schließlich lebt in einem Kloster des Starez Sossima, der ihm Lehrmeister und Vaterfigur ist, und versucht sich als christlicher Mittler in den verschiedenen Streitfällen in seiner Familie. Schließlich lebt im Haushalt des Vaters noch als Diener dessen mutmaßlich unehelicher Sohn Smerdjakow, ein verschlossener und mürrischer Charakter; seine taubstumme Mutter starb bei der Geburt.

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Quelle: dixiemania.com/Deutsches Filmmuseum

Yul Brynner als Dmitri und Maria Schell als Gruschenka in der Verfilmung von 1958

Der Streit zwischen dem Vater und Dmitri um das Erbe soll von Starez Sossima geschlcihtet werden, doch unterschwellig gibt es noch einen weiteren Konflikt: Beide sind in die schöne Gruschenka verliebt, die ihrerseits diese Aufmerksamkeit genießt und mit den Gefühlen ihrer Verehrer spielt, als eine Art Rache für vergangenes Unrecht, das sie wiederum durch Männer erleiden musste. Auch an dem „reinen“ Aljoscha probt sie ihre Verführungskünste, doch entsteht bei ihnen allmählich eine Freundschaft, die zu einer moralischen Besserung Gruschenkas führen. Dmitris Eifersucht auf den Vater und seine Geldnot werden später als sein Motiv für den Mord an Fjodor gewertet, als dieser tot aufgefunden wird. Alle Indizien scheinen gegen ihn zu sprechen: Er verfügt plötzlich über eine größere Summe Geld, während eine solche bei seinem Vater verschwunden ist, er wurde blutverschmiert und mit einem Messingstößel in der Hand gesehen (mit dem er einen Bediensteten des Vaters niederschlug) und war zum Zeitpunkt der Tat der einzige im Haus – neben Smerdjakow, der jedoch gerade einen epileptischen Anfall hatte. Den dramatischen Höhepunkt bildet die Gewichtsverhandlung mit Zeugenvernehmungen und den Reden von Staatsanwalt und Verteidigern In deren Verlauf beschuldigt Iwan Fjodorowitsch den Diener Smerdjakow, der sich mittlerweile das Leben genommen hat, doch aufgrund einer Aussage von Dmitris Verlobten Katerina wird Mitja schließlich für schuldig befunden und zu 20 Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt.

In die Handlung eingebettet ist die später auch eigenständig veröffentlichte, berühmte Erzählung vom „Großinquisitor“. Sie wird von Iwan Fjodorowitsch erzählt, der damit seine nihilistische Weltanschauung untermauert. Inhalt ist, dass Jesus zur Zeit der Inquisition zurück auf die Erde kommt und prompt verhaftet wird, weil er durch seine Wunderheilungen das etablierte System der Kirche stört. Jesus steht für den freien Willen des Menschen, sich zwischen Gut und Böse entscheiden zu können (wie er es tat, als ihn der Teufel in Versuchung führte). Die Kirche hingegen hat die Menschen überzeugt, dass sie dieser ihre Freiheit opfern, wodurch sie schlussendlich glücklicher wären.

Sie werden endlich selber einsehen, daß die Freiheit und das Brot, beide zusammen, nicht denkbar sind, denn niemals werden die Menschen das Brot untereinander zu teilen verstehen. Zudem werden sie sich davon überzeugen, daß sie auch darum nicht frei sein können, weil sie kleinmütig, lasterhaft und nichtig sind und voll von Empörung stecken. Du hast ihnen das Himmelsbrot versprochen, aber ich wiederhole: kann dieses Himmelsbrot sich in den Augen eben dieses schwachen, ewig lasterhaften und ewig undankbaren Geschlechtes mit dem irdischen vergleichen? Und wenn Dir auch im Namen des Himmelsbrotes Tausende und Zehntausende folgen, was geschieht aber mit den Millionen und zehntausend Millionen von Schwachen, die nicht die Kraft haben, das irdische Brot von sich zu weisen und dafür das himmlische zu nehmen? Sprich, sind Dir vielleicht nur die zehntausend Starken und Großen lieb, und sollen die Millionen, die zahllos wie der Sand am Meere und schwach sind, aber Dich lieben, sollen diese nur Stoff sein in der Hand der Großen und Starken? Nein, uns sind auch die Schwachen lieb. Freilich sind sie Sünder und Empörer, aber schließlich werden sie doch den Gehorsam lernen. Und sie werden uns anstaunen und darum für Götter halten, weil wir, nunmehr die Herren, darin eingewilligt haben, die Freiheit, vor der sie zurückgeschreckt sind, auf uns zu nehmen und also die Herrschaft zu führen – so entsetzlich wird es für sie geworden sein, frei zu sein.

Jesus soll als Ketzer auf dem Scheiterjaufen verbrannt werden, doch nachdem er den Vorhaltungen des Großinquisitors schweigend zugehört hat, ist seine einzige Reaktion, diesen zu küssen, worauf dieser ihn gehen lässt.

Die Geschichte ist natürlich ein Affront für Aljoscha, der sich dennoch bemüht, seinen Bruder zurück auf den rechten Weg zu führen. Er nimmt ein wenig die Rolle des naiven „Gottesnarren“ ein, die man öfter in der russichen Literatur findet (Dostojewskis „Idiot“ ist ein gutes Beispiel). Von seinem Starez wird er aus dem Kloster hinaus in die Welt geschickt, um den Menschen durch seine Barmherzigkeit zu helfen. Zuvor hat er eine Art Vision, in der er eine tiefe Liebe zu allem und allen verspürt:

Aljoscha stand und schaute und warf sich plötzlich wie niedergemäht auf die Erde. Er wusste nicht, warum er sie umarmte; er gab sich keine Rechenschaft darüber, warum es ihn so unwiderstehlich verlangte, sie zu küssen. Er küsste sie weinend und schwor in seiner Begeisterung, sie zu lieben, in alle Ewigkeit zu lieben. ›Benetze die Erde mit deinen Freudentränen und liebe diese deine Tränen!‹ So klang es in seiner Seele. Worüber weinte er? Er weinte in seiner hingebungsvollen Freude sogar über diese Sterne, die ihn aus der endlosen Weite anstrahlten und er schämte sich dieser Verzückung nicht. Er hatte das Gefühl, als träfen Fäden von all diesen zahllosen Gotteswelten gleichzeitig in seiner Seele zusammen, als würde sein ganzes Ich von der Berührung mit anderen Welten geradezu körperlich betroffen. Es verlangte ihn, allen alles zu verzeihen, und um Verzeihung zu bitten: nicht für sich, sondern für alle und alles. ›Für mich werden auch andere bitten!‹ klang es wieder in seiner Seele. Doch mit jedem Augenblick fühlte er deutlicher und sozusagen greifbarer, dass etwas seine Seele erfüllte, was so fest und unerschütterlich war wie dieses Himmelsgewölbe. Eine bestimmte Idee übernahm die Herrschaft über seinen Geist, und zwar für sein ganzes Leben und in alle Ewigkeit Er hatte sich auf die Erde geworfen als ein schwacher Jüngling und stand auf als ein für das ganze Leben gefestigter Kämpfer – und er war sich dessen bewusst, sofort, in eben diesem Moment der Verzückung. Und niemals in seinem weiteren Leben konnte Aljoscha diesen Augenblick vergessen. »In jener Stunde hat jemand meine Seele heimgesucht!« sagte er später einmal. Und er glaubte fest an die Wahrheit dieser seiner Worte.

Drei Tage danach trat er aus dem Kloster aus: der Weisung des verstorbenen Starez folgend, der ihm befohlen hatte, in der Welt zu leben.

Ein großer psychologischer (Kriminal-)Roman, dessen Themen wie Mord (und dessen moralische Rechtfertigung), Abkehr von der Religion und Hinwendung zu ihr, Leidenschaften und damit einhergehende Reue schon oft literarisch behandelt wurden und dennoch – oder gerade deswegen – nie an Relevanz verlieren.

 

2019

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Januar 2019

Bob Stanley: Yeah Yeah Yeah: The Story of Modern Pop

Mikael Niemi: Der Mann, der starb wie ein Lachs

Nora Krug: Heimat

Wolfram Eilenberger: Philosphie für alle, die noch etwas vorhaben

Sue Brown: Alles was bleibt

Ali Smith: Winter

Erling Sandmo: Ungeheuerlich

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Februar 2019

Peter Köhler: Leonardos Fahrrad

Emma Donoghue: Frog Music

Joseph Conrad: Herz der Finsternis

Honoré de Balzac: Eugénie Grandet

Arno Geiger: Unter der Drachenwand

Jürgen Roth & Thomas Roth: Kritik der Vögel

Jacky Fleming: Das Problem mit den Frauen

Arthur Marwick: It. A History of Human Beauty

Werner Schmalenbach: Henri Rousseau. Träume vom Dschungel

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März 2019

Simon Reynolds: Retromania

Wolfgang Kos: 99 Songs

Klaus Behling: Leben in der DDR. Alles was man wissen muss

Wolf Haas: Junger Mann

John Pring/Rob Thomas: Beatles Story

Benedict Wells: Becks letzter Sommer

Knut Hamsun: Pan

Wladimir Kaminer: Die Kreuzfahrer

 


2020

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Januar 2020

Maik Brüggemeyer: Pop. Eine Gebrauchsanweisung

Karl Gutzkow: Der Zauberer von Rom – Band 1

Julia Zejn: Drei Wege

Javier Marías: Als ich sterblich war

Franz Keim/Carl Otto Czeschka: Die Nibelungen

Lars Mytting: Die Glocke im See

Joachim Kaiser: Sprechen wir über Musik

Rainer Moritz: Die Überlebensbibliothek

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Februar 2020

Denis Scheck: Schecks Kanon

Matthias Breitinger: Europe – 12 Points!

Michael Faber: Das Buch der seltsamen neuen Dinge

Rebecca Solnit: Wanderlust

Joachim Hentschel: Zu geil für diese Welt

Yasushi Inoue: Das Jagdgewehr

Julian Barnes: Kunst sehen

2021

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Januar 2021

Mika Waltari – Sinuhe der Ägypter

Edmund Dulac (Illustrationen) – Märchen aus 1001 Nacht

Francesca Bonazzoli/Michele Robecchi – Gesichter mit Geschichten

Émile Gaboriau – Der Strick um den Hals

Alexander Seefeldt – U6

Daniel Biskup – Wendejahre

Peter Walther – Fieber. Universum Berlin 1930–33

Christian Reuther – Schelmuffsky

Gianna Bacio – Hand drauf!

Liv Strömquist – Ich fühl’s nicht

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Februar 2021

Primo Levi – Ist das ein Mensch

Paul Scraton – Am Rand um ganz Berlin

Johann Heinrich Voß – Luise

Thomas Mann – Joseph und seine Brüder: Die Geschichten Jaakobs

Douglas Adams – Hitchhiker’s Guide to the Galaxy I-V

Thomas Mann – Joseph und seine Brüder: Der junge Joseph

Div. – Pippi Langstrumpf: Heldin, Ikonin, Freundin

Carl Tillessen – Konsum

Matthias Heine – Verbrannte Wörter

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März 2021

Ludwig Tieck – Abdallah

Steve Brusatte – Aufstieg und Fall der Dinosaurier

Detlev von Liliencron – Breide Hummelsbüttel

Geoff Dyer – Die Zone

Victoria Finlay – Das Geheimnis der Farben

Esi Edugyan – Washington Black

Markus Kavka – Depeche Mode

Lutz Seiler – Stern 111

Florence Given – Women Don’t Owe You Pretty

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April 2021

Roger Ekirch – In der Stunde der Nacht

Thomas Mann – Joseph und seine Brüder: Joseph in Ägypten

Mark Forsyth – Eine kurze Geschichte der Trunkenheit

Flix – Da war mal was

Joseph Conrad – Spiel des Zufalls

Hubertus Butin – Kunstfälschung

Pearl S. Buck – The Good Earth

Elke Heidenreich – Männer in Kamelhaarmänteln

Erich Kästner – Fabian

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2022

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Januar 2022

Toby Wilkinson – A World Beneath the Sands

Andreas Zweigle/Sebastian Rose – VfB Stuttgart: Fußballfibel

Monika Helfer – Die Bagage

Theresa Hannig – Die Optimierer

Anke Kuhl – Manno!

Michael Maar – Die Schlange im Wolfspelz

Adalbert Stifter – Zwei Schwestern

Blai Bonet – Das Meer

Karsten Weyershausen – Der finale Notausgang

Stefan Krankenhagem – All These Things: Eine andere Geschichte der Popkultur

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Februar 2022

David Mitchell – Cloud Atlas

Wolfgang Niedecken – Bob Dylan

James Canton – Biografie einer Eiche

Friedrich Wilhelm Hackländer – Europäisches Sklavenleben, Band 1

Katharina Nocun/Pia Lamberty – True Facts

Paul McCartney/Paul Muldoon – Lyrics. Band 2: L-M

Yslaire – Mademoiselle Baudelaire

Lukas Rietzschel – Raumfahrer

John Woodward – Dinosaurier. Die Urzeitriesen in spektakulären Bildern

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März 2022

W. G. Sebald – Austerlitz

Friedrich Wilhelm Hackländer – Europäisches Sklavenleben, Band 2

Berthold Seliger – Klassikkampf

Gaston Dorren – In 20 Sprachen um die Welt

Wladimir Kaminer – Tolstois Bart und Tschechows Schuhe

José Saramago – Eine Zeit ohne Tod

2023

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Januar 2023

Noel Daniel (Hrsg.): Die Märchen von Grimm und Andersen

Henry Gee: Eine sehr kurze Geschichte des Lebens

Knut Hamsun: Wanderer-Trilogie

Julian Barnes: Flauberts Papagei

Hans Demmel/Friedrich Küppersbusch: Anderswelt

Gert Prokop: Detektiv Pinky

Simon Napier-Bell: Black Vinyl, White Powder

Robert Neumann: Vorsicht Bücher

Alain Claude Sulzer: Doppelleben

Henriette Kuhrt: Hat das Stil?

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Februar 2023

P. G. Wodehouse: Right ho, Jeeves!

Edward Brooke-Hitching: Atlas des Teufels

Thomas Halliday: Otherlands

Lukas Heinser: Eurovision Song Contest

Shirley Jackson: The Haunting of Hill House

Anatole France: Die Schuld des Professors Bonnard

Heinigk/Herden/Hoffmann/Engelmann (Hg.): Nächstes Jahr in

Henning Ahrens: Mitgift

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März 2023

Irene Vallejo: Papyrus

Jean Giraudoux: Schule des Hochmuts

Ute Mahler, Kunsthalle Rostock et. al.: Sibylle. Zeitschrift für Mode und Kultur

Heike Faller: Hundert: Was du im Leben lernen wirst

Joachim Hentschel: Dann sind wir Helden

Sarah Waters: Tipping the Velvet

Heiko Werning: Wedding sehen und sterben

Thyde Monnier: Liebe – Brot der Armen

Colson Whitehead: Underground Railroad

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April 2023

Manfred Krug: Ich bin zu zart für diese Welt. Tagebücher 1998-1999

Michael Pollan: Kaffee Mohn Kaktus

Karen Duve: Sisi

Katharina Nocun/Pia Lamberty: Gefährlicher Glaube

George Saunders: A Swim in a Pond in the Rain

Delphine de Vigan: Die Kinder sind Könige

Grazia Deledda: Elias Portolu

Susie Hodge: Die Künstlerinnen

Peter Carey: True History of the Kelly Gang

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Mai 2023

Bob Dylan: The Philosophy of Modern Song

Neil Gaiman: Stardust

James Ball: Isn’t It Ironic?

Gusel Jachina: Wolgakinder

Marlen Haushofer: Bartls Abenteuer

Bernhard Kellermann: Ingeborg

Michael Behrendt: Mein Herz hat Sonnenbrand

David Mitchell: The 1000 Autumns of Jacob de Zoet

Katrin Hörnlein: Eine wie sie fehlt in dieser Zeit. Erinnerungen an Astrid Lindgren.

J. B. Priestley: English Journey

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Juni 2023

Dirk Oschmann: Der Osten. Eine Erfindung des Westens

Anna C. Paul: Super(Hairy)Woman

Rainer Moritz: Udo Jürgens. 100 Seiten

Edith Wharton: Summer

2024

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Januar 2024

Camilla Townsend: Fünfte Sonne

Isaak Babel: Die Reiterarmee

Kenneth C. Davis: Great Short Books

Jane Gardam: Mädchen auf den Felsen

Johan Egerkrans: Herrscher der Urzeit

Leïla Slimani: Dann schlaf auch du

C. Banditt, N. Jenke, S. Lange (Hrsg.): DDR im Plural

Esther Kinsky: Fremdsprechen

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Februar 2024

Jakob Schwerdtfeger: Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist Kunst

David Mitchell: Unruly

Ann Petry: Die Straße

Evie Wyld: Die Frauen

H. Rider Haggard: Sie

Elmar Giglinger/Markus Kavka: MTViva liebt dich

Caroline Wahl: 22 Bahnen

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März 2024

Florian Illies: Zauber der Stille

William Godwin: Caleb Williams

Alex Gernandt: Roxette: Populäre Irrtümer and andere Wahrheiten

Daniel Schulz: Wir waren wie Brüder

Jennifer Teege: Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen

Christian Hentschel: Das vermutlich allerletzte Ostrockbuch

Philipp Craig Russell: Der Ring des Nibelungen

Joochen Laabs: Der Schattenfänger

Ian Bostridge: Das Lied und das Ich

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